Essen. Der Virologe Ulf Dittmer ist besorgt wegen der vielen Todesfälle. Doch ob Corona zu einer Übersterblichkeit führt, ist weiter unklar.

Das Robert-Koch-Institut veröffentlicht täglich, wie viel Menschen in Deutschland in Verbindung mit Covid 19 gestorben sind. Stand Donnerstag gab es demnach 17.602 Todesfälle seit Beginn der Pandemie. Allein in NRW starben schon 3721 Menschen an oder mit Covid 19. In Bayern, das rund fünf Millionen Einwohner weniger hat als NRW, liegen die Zahlen sogar noch höher (4057).

Die jährlichen Schwankungen bei den Todeszahlen sind groß

Doch trotz der bedrückenden Zahlen ist weiter unklar, welchen Einfluss die Pandemie auf die Sterbezahlen insgesamt hat und ob es zu einer so genannten Übersterblichkeit kommt. Die jährlichen Schwankungen bei den Todeszahlen sind groß.

Seit der Jahrtausendwende bewegte sich die Zahl der Gestorbenen in NRW zwischen 184.000 und 206.000. Hinzu kommen saisonale Effekte: Im Winter 2017/2018 gab es eine starke Grippewelle. Offenbar in der Folge davon stieg die Zahl der Todesfälle im März 2018 sprunghaft an. Sie lag deutlich über der Lage im März 2020.

Gegenteilige Effekte durch die Lockdowns

Besonders bei Corona-Leugnern hält sich daher hartnäckig die Meinung, die Sterblichkeit sei nicht höher als die einer normalen Grippe-Epidemie. Das Problem: Im Corona-Jahr können Wissenschaftler bislang nur Aussagen zu den Entwicklungen in einzelnen Monaten treffen. Hinzu kommen gegenteilige Effekte durch die Lockdowns: Experten vermuten, dass durch die Einschränkung des öffentlichen Lebens weniger Menschen durch Verkehrsunfälle und Gewaltverbrechen ums Leben gekommen sind.

Fürs ganze Jahr könne die Übersterblichkeit erst im nächsten Jahr genau berechnet werden, sagt denn auch Prof. Ulf Dittmer, Chefvirologe am Universitätsklinikum Essen. Dittmer geht davon aus, dass sowohl im März und April als auch jetzt im November mehr Menschen gestorben sind als im langjährigen Mittel.

Für den Mediziner liegt der Zusammenhang zu Corona auf der Hand. „Inzwischen ist Covid-19 die dritthäufigste Todesursache in Deutschland“, sagte der Virologe kürzlich im Videointerview mit unserer Redaktion. Die Erkrankung spiele in der Todesstatistik eine „ganz große Rolle, auch eine deutlichere als im Frühjahr“.

November-Zahlen erst Ende Dezember

Laut Statistischem Bundesamt lagen die Sterbe­fallzahlen im April tatsächlich deutlich über dem Durch­schnitt der Vorjahre. Gleichzeitig verzeichnete das RKI in diesem Monat auch einen deutlichen Anstieg der Sterbefälle mit oder durch Corona. Ab Anfang Mai bewegten sich die Zahlen insgesamt wieder etwas zurück.

Seit September gibt es wieder etwas mehr Sterbefälle als im Durch­schnitt. Ein Beispiel: Im Oktober sind deutschlandweit über 78.300 Menschen gestorben. Das waren vier Prozent mehr als in den Oktober-Monaten seit 2016. Zahlen für den durch die hohe Corona-Todesrate besonders betroffenen November liegen den Statistikern noch nicht vor. Die kommen laut der NRW-Statistikbehörde IT.NRW erst Ende Dezember. Eine Aufschlüsselung nach Todesursachen für das Gesamtjahr 2020 sei erst in einigen Monaten möglich.​