Düsseldorf. Vor dem großen Bildungskongress des NRW-Städtetages macht SPD-Oppositionsführer Jochen Ott konkrete Vorschläge, die es in sich haben.
Im Kampf gegen den eklatanten Lehrermangel in Nordrhein-Westfalen hat SPD-Oppositionsführer Jochen Ott weitreichende konkrete Reformvorschläge auf den Tisch gelegt. „Die Zeit der Problembeschreibung muss vorbei sein. Die Herausforderungen sind so groß, dass wir – ähnlich wie in der Migrationsfrage – längst einen parteiübergreifenden Konsens benötigen“, schreibt Ott in einem Brief an die beiden Oberbürgermeister und Vorsitzenden des NRW-Städtetages, Thomas Kufen (CDU, Essen) und Thomas Eiskirch (SPD, Bochum). Das Schreiben liegt unserer Redaktion vor.
Woche für Woche würden in NRW rund 180.000 Unterrichtsstunden allein aufgrund nicht besetzter Stellen nicht gegeben, so Ott, der selbst Oberstudienrat ist und jahrelang an einer Gesamtschule unterrichtet hat. Die Landesregierung betone immer wieder, dass die Lehrerlücke frühestens in zehn Jahren geschlossen werden könne. „Bis dahin können wir aber nicht warten“, findet Ott.
NRW-Hochschulen: Landesmittel stärker an Studienerfolg koppeln
Zur Überbrückung schlage er die Errichtung eines Lehrerarbeitszeitkontos vor. Jüngere Lehrkräfte unter 50 sollen zusätzliche Unterrichtsstunden erteilen können, die ihnen nach einer Zeit von zehn Jahren doppelt vergütet würden. Zudem sollen neue Lehrer vorrangig an sozial belasteten Schulen eingesetzt werden und dafür eine besondere Leistungsvergütung erhalten.
Neu ist auch, dass Ott die NRW-Hochschulen stärker für die Lehrerausbildung in die Pflicht nehmen will. Trotz jahrelanger Bemühungen ist es nicht gelungen, eine ausreichende Zahl an Grundschul- und Mangelfachlehrern sowie Sonderpädagogen auf den Markt zu bringen. Mittel des Landes für die Hochschulen sollten deshalb „nicht mehr allein an die Studienplatzzahl gebunden sein, sondern zu 30 Prozent an den tatsächlichen Studienerfolg“, forderte Ott.
NRW-Städtetag will Forderungen bei großem Bildungskongress vorstellen
Die Oberbürgermeister Kufen und Eiskirch wollen gemeinsam mit ihrer Gelsenkirchener Amtskollegin Karin Welge (SPD) am Donnerstag ihre bildungspolitischen Forderungen vorstellen. „Jede neue Bildungsstudie zeigt, dass wir enormen Nachholbedarf haben – bei Bildungsgerechtigkeit, Wissens- und Lernkompetenzen oder Digitalisierung“, hieß es vorab. Hinzu kämen drängende Herausforderungen wie die Ganztagsbetreuung und die Integration zugewanderter Kinder, „für die wir mehr Fachkräfte und geeignete Schulräume benötigen“.
Schulministerin Dorothee Feller (CDU) wird ebenfalls bei dem Bildungskongress erwartet. Im Koalitionsvertrag hatten sich CDU und Grünen verpflichtet, 10.000 zusätzliche Lehrkräfte ins System zu bringen. Bislang ist unklar, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Derzeit fehlen im Bestand rund 6700 Lehrer. Feller hat ein „Handlungskonzept Unterrichtsversorgung“ vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen ein leichterer Seiteneinstieg in den Lehrberuf, der Einsatz von Lehrkräften anderer Schulformen auch an Grundschulen, Abordnungen von Pädagogen an Schulen mit Lehrermangel, die Einschränkung von Teilzeitarbeit und das Anwerben von „Alltagshelfern“, die Lehrkräfte unterstützen sollen.