Essen. Bei den Verhandlungen übers Deutschlandticket steht es Spitz auf Knopf. VRR-Chef Castrillo erklärt, was ein Scheitern auslösen würde.
Der Streit um die Zukunft des Deutschlandtickets spitzt sich zu. Kurz vor der entscheidenden Runde der Länderchefs mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am heutigen Montag erhöht der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) den Druck auf die Politik, für eine auskömmliche Finanzierung des Tickets zu sorgen. Andernfalls drohe dem 49-Euro-Ticket schon ein halbes Jahr nach dem Start das Aus.
Keine Einigung? Dann ist das Deutschlandticket im Januar weg
Falls der Bund sich weiter weigere, die Hälfte der im kommenden Jahr erwarteten Mehrkosten für das Ticket zu übernehmen, müsse das Deutschlandticket im Januar wieder vom Markt genommen werden, kündigte José Luis Castrillo, Vorstandsmitglied des VRR, im Gespräch mit der WAZ an.
„Das wäre im Ergebnis natürlich absurd, nach geltender Beschlusslage der VRR-Gremien müssten wir aber im Fall des Falles so handeln“, so Castrillo. Die örtlichen Verkehrsunternehmen und ihre Kommunen könnten die durch die allgemeine Teuerung verursachten Mehrkosten des Deutschlandticket in 2024 „keinesfalls selbst schultern“.
Städtetag NRW: "Menschen würden sich veräppelt fühlen, wenn das Ticket scheitert"
Sollte das Deutschlandticket scheitern, „dann würden sich viele Menschen veräppelt fühlen“, sagte der Geschäftsführer des Städtetags NRW, Helmut Dedy, dieser Redaktion. Etwa zehn Prozent der Ticket-Nutzer seien vom Auto auf Bus und Bahn umgestiegen. „Wollen wir denen jetzt sagen: Ätsch, das war nicht so gemeint?“, fragt Dedy. Auch eine Preiserhöhung wäre „schwer vermittelbar“.
Hintergrund der Sorge ist das Gerangel um die Weiterfinanzierung des Deutschlandtickets. Denn faktisch ist die Finanzierung des ersten bundesweit gültigen Nahverkehrstarifs nur für dieses Jahr gesichert. Bund und Länder hatten zwar einen jährlichen Zuschuss von je 1,5 Milliarden Euro bis 2025 zugesagt. Zusatzkosten, die den Verkehrsunternehmen durch Inflation, hohe Tarifabschlüsse und gestiegene Energiepreise entstehen, sind aber nicht gedeckt. Verkehrsverbünde wie der VRR bestehen auf einer „Nachschusspflicht“ von Bund und Ländern.
Deutschlandticket: Eigentlich eine Erfolgsgeschichte
Die Verkehrsministerinnen und -minister hatten sich bei ihrem Herbstreffen in Köln nicht auf die weitere Absicherung der steigenden Ticket-Kosten einigen können. Auch die Finanzierung eines bundesweiten Semestertickets für Studierende steht in den Sternen. Nun läuft den Verkehrsbetrieben die Zeit davon. Ein Zurück zu den früheren Tarifen müsse praktisch sofort eingeleitet werden.
Das im Mai eingeführte Deutschlandticket berechtigt für 49 Euro im Monat bundesweit zu Fahrten im Nah- und Regionalverkehr. Es gilt als Erfolg. Allein im VRR nutzen vier Fünftel der 1,5 Millionen Stammkunden das im Vergleich zu bisherigen Zeitkarten meist deutlich günstigere D-Ticket, das es inzwischen auch in einer Version für Schüler, für Berufspendler und für NRW-Studierende gibt. Ab 1. Dezember kommen zudem Bezieher von Sozialleistungen in den Genuss eines Deutschlandticket „Sozial“ für 39 Euro.
Lesen Sie auch dazu:
Deutschlandticket sozial: Wir haben alle wichtigen Infos
Deutschlandticket: Unwürdiges Pokern von Bund und Ländern
Autobahnen in NRW: Warum im November sehr viele Staus drohen
Deutschlandticket: Noch mehr Kunden sind nicht die Lösung