Düsseldorf. Oft kann Nazi-Hetze in privaten Chats nicht strafrechtlich verfolgt werden. Der NRW-Innenminister sieht einen Weg, das zu ändern.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat die Bundesregierung im Umgang mit rechtsextremistischen Verhaltensweisen von Polizisten zu Gesetzesverschärfungen aufgerufen. „Im Augenblick ist es leider zu häufig so, dass üble nationalsozialistische und antisemitische Äußerungen straffrei bleiben, weil sie in einem Chat geäußert werden und deshalb nicht öffentlich sind“, sagte Reul unserer Redaktion am Donnerstag. „Ich bin sicher, dass da gesetzlich noch Spielraum wäre, das zu verändern. Hier kommt es auf den Bund an, damit sich etwas ändert“, forderte Reul.
In der NRW-Polizei wurden in den vergangenen sechs Jahren 105 Verdachtsfälle wegen rechtsextremistischer Verhaltensweisen geahndet. Die jeweils getroffenen Maßnahmen, mit denen die Beamten bestraft wurden, werden statistisch jedoch nicht erfasst. Landesweit 63 Verfahren unterliegen derzeit noch einer Prüfung. Bei 189 Hinweisen hat sich dagegen nach strafrechtlicher oder dienstrechtlicher Prüfung keine erkennbare Relevanz ergeben.
Bei Chatgruppe Mülheim noch viele Verfahren offen
Diese neue Zahlen gab ein Sprecher des Innenministeriums auf Anfrage unserer Redaktion bekannt. Insgesamt meldeten die Polizeibehörden 357 Hinweise seit 2017. Die Erfassung erfolge jedoch „sehr niederschwellig“, erklärte der Sprecher. So werde zunächst auch einem vagen Verdacht nachgegangen.
Seit 2020 legt Innenminister Reul ein besonderes Augenmerk auf die innerbehördliche Verfolgung rechtsextremistischer Verhaltensweisen im Polizeiapparat. Von einer eigens eingerichteten „Stabsstelle Rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei" wurden verschiedene Handlungsempfehlungen erarbeitet. Seither hat das Landesamt für Aus- und Fortbildung (LAFP) bereits ein „Kompetenzzentrum zur Förderung der demokratischen Resilienz“ eingerichtet. Zudem wurde die „Alltagsreflexion“ ausgebaut, damit Frust im Polizeidienst nicht irgendwann den Boden für menschenverachtendes Gedankengut bereitet.
Warum offenkundig rassistische Posts nur schwer zu ahnden sind
Auslöser war der Skandal um eine Dienstgruppe in Mülheim an der Ruhr, die in privaten Chatgruppen übelste Neonazi-Hetze geteilt hatte. Die braunen Umtriebe waren nur durch einen Zufall ans Licht gekommen, als bei anderweiten Ermittlungen gegen einen Polizisten dessen Handy beschlagnahmt und ausgelesen wurde. Im Zusammenhang mit der Mülheimer Chat-Gruppe seien inzwischen 23 Disziplinarverfahren beendet worden und 21 weitere noch anhängig, erklärte das Innenministerium. Nur in zwei Fällen wurden bislang die Beamtenverhältnisse beendet und in drei Fällen Disziplinarverfügungen ausgesprochen. Rechtlich erweist sich als problematisch, dass Verhaltensweisen in nicht-öffentlichen Chats unter Kollegen nur schwer als Volksverhetzung zu verfolgen sind. Dies führe im Ergebnis dazu, dass Polizisten, „die offenkundig rassistische, rechtsextremistische oder fremdenfeindliche Inhalte in einer solchen Gruppe posten“, nicht strafrechtlich belangt werden können, so das Innenministerium.