Düsseldorf. Mit dem heutigen Personal ließe sich NRW nicht verteidigen. Hier steht, was die Heimatschützer leisten müssen und wo der Haken ist.
Die Landespressekonferenz hatte schon viele Gäste, aber Soldaten? „Soweit ich weiß, waren wir noch nie hier“, sagte Brigadegeneral Dieter Meyerhoff am Mittwoch im Landtag. Die „Zeitenwende“ ermöglicht Begegnungen, die vor Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine kaum denkbar erschienen. Der General kam ins Parlament, um für ein neues Heimatschutzregiment NRW zu werben. Es ist das zweite von sechs Regimentern dieser Art in Deutschland.
Warum wird der militärische Heimatschutz forciert?
Weil die Bundeswehr im Fall der Fälle ein Problem hätte. „Wir haben uns über viele Jahre der Illusion hingegeben, dass der Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ausgedient hat. Aber der Krieg ist zurück in Europa“, sagt Meyerhoff. Wäre die Bundeswehr in ihrer heutigen Stärke – gemeint ist eigentlich Schwäche – einem Angriff wie dem russischen auf die Ukraine ausgesetzt, „dann wäre sie schon vom Gefechtsfeld verschwunden“, so die bittere Analyse des Offiziers. Daher müssten sich die Streitkräfte „in Teilen neu aufstellen“. Einerseits, um die Nato-Außengrenzen besser zu schützen, andererseits, um das Inland zu sichern. Für diese zweite Aufgabe sei eine „starke, einsatzbereite und kampffähige Reserve“ nötig.
Übersetzt heißt das: Im Moment wäre die Bundeswehr mit der Verteidigung von NRW überfordert. Auf die Schnelle müssen Freiwillige angeworben und ausgebildet werden, die die vielen Lücken schließen.
Was machen die „Heimatschützer“?
Das Regiment, das Ende 2021 gegründet wurde, zurzeit 500 Mitglieder hat und später einmal 1000 haben soll, besteht „zu 99 Prozent“ aus Reservisten und einigen wenigen Reservistinnen, ergänzt durch 30 aktive Soldaten und ein paar Dutzend freiwillig Wehrdienstleistende im Heimatschutz. In Notfällen leisten sie mit dem Technischen Hilfswerk, den Feuerwehren und anderen zivilen Organisationen Katastrophenhilfe. Falls nötig, schützen sie im Inland Militäranlagen und „kritische Infrastrukturen“ wie Kraftwerke und wichtige Verkehrswege und unterstützen Nato-Verbände, die sich in NRW aufhalten.
Wer kann mitmachen?
Salopp gesagt: fast jeder. Strenge Anforderungen an die Tauglichkeit gibt es jedenfalls nicht. „Mit autistisch veranlagten Einzelbürgern kann ich nichts anfangen“, sagt der Brigadegeneral. Aber sonst seien alle willkommen, die „einigermaßen körperlich fit sind und die fest auf dem Boden der Freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen“. Ex-Soldaten und „Ungediente“ sind angesprochen, Jüngere sowie Frauen und Männer über 50, Handwerkerinnen und Handwerker, Studierende, Akademiker – die „gesamte Palette“, heißt es.
Wie hart ist die Ausbildung?
Gar nicht hart, sagt Meyerhoff. Nach und nach erwerbe jeder nach seinem eigenen Tempo die nötigen Kenntnisse, und dazu gehört auch eine Waffen- und Schießausbildung. Das Konzept der Reserve baue „auf absoluter Freiwilligkeit auf“. Es gebe also keine Verpflichtung, an einer Weiterbildung oder Übung teilzunehmen, Arbeitgeber müssten die Reservisten auch nicht freistellen, daher opferten manche „Heimatschützer“ Urlaubstage für den Dienst. Die Freiwilligen erhalten einen Sold und Aufwandsentschädigungen.
Wo ist der Haken?
Sobald es ernst wird, also ein Krieg ausbricht, ist es aus mit der Freiwilligkeit. „Dann wird auch die Reserve mit dabei sein“, stellt der Brigadegeneral klar. Der Objektschutz stelle zwar nicht so hohe Anforderungen an Soldatinnen und Soldaten wie an andere Einsätze, aber die Heimatschützer könnten es mit zum Teil sehr gefährlichen Angreifern zu tun haben. „Kanonenfutter“ seien sie aber nicht, versichert Meyerhoff.
Es gibt auch grundsätzliche Kritik. Der Politologe Martin Sebaldt von der Uni Regensburg sagte dem Bayerischen Rundfunk, der geplante Heimatschutz sei personell viel zu dünn aufgestellt. Wohlfahrtsverbände befürchten, durch die Konkurrenz des 2021 gegründeten „Freiwilligendienstes für Heimatschutz“ FSJ-Stellen nicht mehr besetzen zu können.
Wie verändert der Krieg in der Ukraine die Sicht auf die Bundeswehr?
„Das Interesse an uns ist deutlich gestiegen“, meint der Brigadegeneral. Der Krieg habe auch in der Reserve ein „deutlich bewussteres Verhalten“ herbeigeführt. „Die Ernsthaftigkeit nimmt zu. Es geht nicht mehr ums Grillen und Schlauchbootfahren.“
Die Streitkräfte sollen wachsen
Die Bundeswehr will in den kommenden Jahren von 180.000 auf 203.000 Soldatinnen und Soldaten „aufwachsen“. In NRW arbeiten rund 20.000 Menschen inklusive Zivilangestellte für die Streitkräfte. Das neue Heimatschutzregiment mit Hauptsitz in Münster besteht im Kern aus drei Kompanien – im Rheinland, im Ruhrgebiet und in Westfalen. Es untersteht dem Landeskommando NRW. In Bayern gibt es ein Heimatschutzregiment, das zweite wird in NRW aufgebaut, es folgen weitere in Niedersachsen, Berlin, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern.