Düsseldorf. Sie soll für Ruhe sorgen, doch auf einmal steckt Schulministerin Dorothee Feller (CDU) mittendrin im politischen Getümmel.

Gäbe es eine offizielle Stellenbeschreibung für den Job einer Schulministerin, dann stünde in NRW schon im ersten Absatz das Wort „Ruhe“. Dorothee Feller (CDU) hat ein schwieriges Ressort übernommen, das in politischen Kreisen sogar als „vergiftet“ gilt, denn über Schulärger können ganze Regierungen stürzen. Doch ein Jahr nach ihrem Start stößt Feller bei ihrem wichtigsten Auftrag, Ruhe in die Schulpolitik zu bringen, immer häufiger an Grenzen.

Mittwochmorgen im Landtag, Schulausschuss: Dorothee Feller beantwortet offene Fragen zu einem WDR-Bericht. Laut dem Magazin „Westpol“ soll das Schulministerium schon lange vor dem Bekanntwerden eines Datenlecks beim Landesinstitut „Qualis“ im April von der Institutsleitung über IT-Probleme informiert worden sein, die Ministerin aber nicht darüber informiert haben.

Nur ein "Missverständnis"

Ein „offensichtlich entstandenes Missverständnis“ sei das, erklärt Feller. Der Hilferuf im Herbst bei „Qualis“ habe sich nur auf die veralteten Internetseiten des Institutes bezogen. Die im April entdeckte Datenpanne auf einem „Qualis“-Server, die Tausende für den internen Gebrauch gedachte Datensätze zu Lehrkräften offen im Netz zugänglich machten sowie die Download-Probleme beim Zentralabitur im April seien davon „vollkommen unabhängig“.

Dorothee Feller ist eine "Verwaltungsfrau". Die 57-jährige Juristin hat fast ihr ganzen Berufsleben bei der Bezirksregierung Münster verbracht, hat nie Kinder unterrichtet, und sie ist politische Seiteneinsteigerin. Wenn ein Problem auftaucht, will sie es so lösen, wie es in einer Verwaltung üblich ist. „Dann stelle ich mir die Frage: Was muss man anders machen?“, erklärt Feller am Mittwoch im Landtag. Nach den IT-Pannen im Bereich des Schulministeriums hat sie zum Beispiel Sachverständige der Firma „Ernst & Young“ hinzugezogen. Nüchtern, sachlich, systematisch will sie die Dinge angehen, in Ruhe eben. Aber Politik ist nicht so. Die kritisiert, die hakt nach, die streut Salz in offene Wunden.

Wer ist Dorothee Feller? Hier ein Porträt der NRW-Schulministerin

Die Opposition erhöht den Druck auf Feller

IT-Probleme im Schulministerium -- Für die Opposition ist das ein Fest. Man könne doch diese Datenpannen, so unterschiedlich sie auch seien, nicht isoliert voneinander betrachten, sagen SPD und FDP. „Alles hängt mit allem zusammen“, philosophiert Frank Müller (SPD) im Schulausschuss. FDP-Schulexpertin Franziska Müller-Rech findet, Feller verhalte sich wie eine, die sage: „An meinem Auto brennen drei Reifen, aber der Rest fährt ja noch.“ Die Liberale wirft der Ministerin dann noch „inakzeptable Ignoranz“ vor. Dilek Engin von der SPD meint, Feller lüge entweder, oder sie habe ihr Haus nicht im Griff.

Auf einmal steckt die Verwaltungsjuristin mittendrin im rauen und mitunter bösen politischen Geschäft, in dem das Mittel der Übertreibung auf offener Bühne normal ist. Feller setzt das Mittel der Empörung dagegen: „Ich weise auf das Entschiedenste zurück, ich würde Falschaussagen machen oder lügen“, grollt sie.

Bei Schule meinen alle, sie könnten mitreden

Die in Dorsten geborene Ministerin dürfte sich in den kommenden Monaten und Jahren noch des Öfteren empören. Denn an der Spitze der SPD-Landtagsfraktion steht seit Kurzem mit Jochen Ott ein ausgewiesener Schulexperte. Ein angriffslustiger Kölner, zu dessen Passionen die Diplomatie nicht zählt. Ott weiß: Wenn Schule seit Jahren die Achillesferse der NRW-Landesregierungen ist, dann ist sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch die Achillesferse der Regierung von Hendrik Wüst (CDU). Rund zwei Millionen Schülerinnen und Schüler zählt NRW, fast 200.000 Lehrkräfte, und alle anderen Einwohnerinnen und Einwohner reden und schimpfen auch gern mit, wenn es um Schule geht.

Monatelang war es verdächtig still im „vergifteten“ Schul-Ressort. Die Chefin feilte an einen „Handlungskonzept zur Verbesserung der Unterrichtsversorgung“ und widmet sich einer weiteren Großbaustelle: Lese-, Schreib- und Rechenschwäche bei Grundschülern. Mehr Lesezeit bekommen diese Mädchen und Jungen ab dem kommenden Schuljahr. „Nicht verkehrt, aber erschreckend wenig“ im Kampf gegen die Grundschul-Probleme, spottet die SPD.

Hier sehen Sie im WAZ-Video-Talk, wie Feller die Unterrichtsversorgung in NRW verbessern möchte.

Die Verbände sind schon wieder auf der Zinne

Noch gefährlicher als die Opposition könnten der Ministerin die mächtigen Pädagogen-, Schulleitungs- und Elternverbände werden. Deren Geduld ist schon wieder arg strapaziert, und das hat nicht nur was mit den IT-Pannen zu tun. Abordnungen von Lehrkräften an Schulen mit Lehrermangel, neue Hürden für Pädagogen, die Teilzeit beantragen möchten, offene Fragen zur Digitalisierung der Schulen und die Spätfolgen der Corona-Pandemie bringen die Verbände auf die Palme.

Nach einem Jahr Schwarz-Grün wird Schule also wieder zu dem, was es jahrzehntelang in NRW war: ein Aufreger. Und Dorothee Feller hat nicht mehr die Ruhe weg.

Wie NRW Abi-Pannen vermeiden will

Im April mussten Abiturklausuren verschoben werden, weil Schulen die Aufgaben nicht vom Server laden konnten. NRW-Schulministerin Dorothee Feller erklärte am Mittwoch, wie technische Probleme dieser Art künftig vermieden werden sollen.

Das Land wird den Schulen ab dem nächsten Jahr die Aufgaben mit drei Tagen Vorlauf zum Download bereitstellen. Im Falle einer Störung bleibe dann genug Zeit, um das Problem zu lösen, so die Begründung. Entschlüsseln lassen sich die Aufgaben allerdings erst mit einem zusätzlichen „Freigabeschlüssel“, den die Schulen am Prüfungstag erhalten. Laut der Landesregierung dürfte diese Entschlüsselung den Schulen keine Probleme bereiten.

Außerdem soll künftig jeder Prüfung ein „Volllasttest“ vorangehen, um auszuschließen, dass das System bei großen Datenmengen zusammenbricht.