Düsseldorf. Lisa Kapteinat und Anja Butschkau (beide SPD) warnen vor “selbst ernannten Lebensschützern“, die Schwangere und Mediziner bedrängen.
Die Zahl der Praxen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, ist in den vergangenen 20 Jahren stark gesunken. Das liege auch an „selbst ernannten Lebensschützern“, die in NRW immer häufiger Schwangere sowie Gynäkologinnen und Gynäkologen auf der Straße bedrängten, warnen die Landtagsabgeordneten Lisa-Kristin Kapteinat und Anja Butschkau (beide SPD).
Kreuze und Fotos von Föten
„Diese Personen, unter ihnen viele religiöse Fanatiker und Frauenhasser, stehen vor gynäkologischen Praxen und Büros der Schwangerenkonfliktberatung. Sie halten Schilder hoch, große Kreuze und Fotos von Föten. Sie schneiden Schwangeren den Weg ab und hindern sie am Zugang“, sagte Kapteinat am Mittwoch im Landtag. Die Szene „wandere“ regelrecht durch NRW, in letzter Zeit sei sie häufig in Dortmund aktiv gewesen.
Die Bundesregierung bereitet gerade ein Gesetz vor, um die so genannte „Gehsteigbelästigung“ zu verbieten. Die Abtreibungsgegner, die Schwangerschaftsabbrüche als "Mord" bezeichnen, berufen sich bei ihren Aktionen auf die Versammlungsfreiheit. Dem stehe aber das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Frauen gegenüber, erklärt die SPD-Landtagsfraktion. Sie fordert die Landesregierung auf, den Bund bei der geplanten Gesetzgebung zu unterstützen. NRW solle zudem eine Landes-Beratungsstelle einrichten, an die sich bedrängte Frauen sowie Medizinerinnen und Mediziner wenden können.
Zuletzt stieg allerdings die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in NRW deutlich.
Immer weniger Praxen und Kliniken
Kapteinat und Butschkau sehen einen Zusammenhang zwischen den Belästigungen und den immer selteneren Möglichkeiten, einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen. Laut dem Statistischen Bundesamt gab es im Jahr 2003 in Deutschland noch etwa 2.050 sogenannte Meldestellen. Das sind Praxen und Kliniken, die den Eingriff durchführen. Ende 2022 waren es demnach nur noch 1105.
Im Sauerland gebe es inzwischen kein einziges Angebot mehr für Frauen, die ihre Schwangerschaft abbrechen möchten, so die Politikerinnen. Im Kreis Recklinghausen, in Bochum und in Oberhausen führten nur noch jeweils eine Praxis Abbrüche durch, im Münsterland mache dies ein einzelner Gynäkologe, der längst im Ruhestand sei.
Das Werbeverbot wurde zum Teil abgeschafft
Der Bundestag beschloss vor einem Jahr, das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche teilweise aufzuheben. Ärztinnen und Ärzte dürfen jetzt auch im Internet -- sachlich, aber nicht offensiv werbend -- darüber informieren, dass in ihren Praxen Schwangerschaftsabbrüche möglich sind. Ob das den Schwund der Angebote bremsen kann, ist fraglich.
Denn laut Kapteinat und Butschkau sei der Druck der „Gehsteigbelästiger“ so massiv, dass inzwischen viele Gynäkologinnen und Gynäkologen keine Abbrüche mehr durchführten. Im Zuge von Praxisübergaben wollten sich Nachwuchs-Mediziner den Ärger mit radikalen Abtreibungsgegnern lieber ersparen. Außerdem hätten Medizin-Studierende immer seltener die Gelegenheit zu lernen, wie man eine Schwangerschaft abbricht. Der „Zeitgeist“ mache es Frauen immer schwerer.