Düsseldorf. Der Bund will staugefährdete Autobahnen schneller ausbauen. NRW will aber, dass gleichzeitig die maroden Brücken saniert werden.
Die Bundesregierung möchte schnellstmöglich mit dem Ausbau von 145 Autobahnabschnitten beginnen, von denen 66 in NRW liegen. Aber einige Länder mit grüner Regierungsbeteiligung lassen Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) warten und die Frist für ihre Zusage verstreichen.
"Überragendes öffentliches Interesse"
Der Bund dringt auf schnelleres Planen und Bauen von Autobahnen, damit nicht mehr so viele Autos und Lastwagen im Stau stehen. „Für eine begrenzte Zahl von besonders wichtigen Projekten zur Engpassbeseitigung wird das überragende öffentliche Interesse festgeschrieben. Das kann die Planungszeiten halbieren“, stellt das Bundesverkehrsministerium in Aussicht. Auf Wissings Ausbau-Liste stehen zum Beispiel Abschnitte auf den zum Teil stark belasteten Autobahnen A1, A2, A3, A40 und A45.
Auf der Ruhrgebiets-Autobahn A40 soll dem Stau mit einem Ausbau der Abschnitte zwischen Duisburg-Kaiserberg und Essen-Frohnhausen sowie zwischen Bochum-West und Bochum-Harpen getrotzt werden. Der Ausbau der A1 zwischen Erfttal und Köln-West sei besonders wichtig, denn hier betrage die Staugefahr mehr als 300 Stunden im Jahr, erklärt der Bund.
Uneinigkeit zwischen den Ländern
Volker Wissing hatte den Ländern eine Acht-Tages-Frist bis zum gestrigen Freitag für ihr Einverständnis gesetzt. NRW und Hessen ließen diese Frist aber verstreichen, Baden-Württemberg ringt noch um eine Haltung in dieser Frage. Bayern und Rheinland-Pfalz bedankten sich beim Bund und stimmten zu.
Wie aus einem Brief von NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) an Wissing hervorgeht, macht NRW den schnellen Ausbau der Autobahnabschnitte von der Sanierung maroder Autobahnbrücken abhängig.
Das ist keine Überraschung. Krischer hatte Wissing Ende Januar im NRW-Landtag scharf kritisiert: Dem Bundesverkehrsminister gelinge es nicht, Autobahnbrücken zügig zu sanieren. Die Autobahn GmbH des Bundes sei für 873 Brücken in NRW zuständig, die in den kommenden zehn Jahren saniert werden müssten. Im Jahr 2021 seien aber nur 31 und im Jahr 2022 insgesamt 43 Brücken saniert worden. Das sei „nicht einmal die Hälfte dessen, was erforderlich wäre“, sagte Krischer damals.
NRW ist "Hotspot" bei den Autobahnbrücken
„NRW ist ein Hotspot in Bezug auf sanierungsbedürfte Autobahnbrücken“, schreibt Krischer Wissing nun in dem Brief, der dieser Redaktion vorliegt. In diesem Zusammenhang dürften viele Bürgerinnen und Bürger an das Verkehrschaos denken, das die Sperrung der A45-Brücke Rahmedetal in und um Lüdenscheid seit vielen Monaten verursacht. Krischer weist seinen Kollegen im Bund aber in seinem Schreiben auf Probleme mit einem anderen Bauwerk hin: Es drohe aktuell die Sperrung der maroden Haarbachtalbrücke an der A 544 in Aachen. „Angesichts dessen möchte ich Sie ausdrücklich bitten, alle Kapazitäten dafür einzusetzen, die anstehenden Bauwerkssanierungen schnell und effizient umzusetzen“, so Krischer weiter.
Vor einer Zusage aus NRW müsse die Bundesregierung noch Fragen beantworten zu den Planungsständen der Ausbau-Abschnitte und zu den Beschleunigungsmöglichkeiten. Wissing soll seinem Amtskollegen aus NRW außerdem erklären, auf welchen Ausbaustrecken baufällige Brücken stehen und wie „der konkrete Plan des Bundes zur Umsetzung der Sanierung von Autobahnbrücken in NRW“ aussehe.
„Bis heute sind die zentralen Fragen nicht von Berlin aus beantwortet“, sagte ein Sprecher des NRW-Verkehrsministeriums am Freitag. Andere Länder hätten Minister Wissing ähnliche Fragen und Briefe geschickt. Die Gespräche zwischen Bund und Ländern dauerten deshalb an.
Der Bund lässt sich vorerst nicht beeindrucken
Der Bund erhöhte am Freitag seinerseits den Druck auf die widerspenstigen Länder. Eine Verlängerung der Frist sei nicht geplant, hieß es. Das könnte bedeuten, dass einige Ausbauprojekte eben nicht beschleunigt würden. Die Länder halten aber noch einen Trumpf in der Hand: Das geplante „Genehmigungsbeschleunigungsgesetz“ muss noch durch den Bundesrat.
Aktivisten von „Fridays for future” kündigten für Freitag eine Demonstration vor dem NRW-Umweltministerium gegen die Autobahnprojekte und für eine „sozial gerechte Verkehrswende an“. Sie forderten Oliver Krischer auf, seinen Einfluss zu nutzen, um den geplanten Autobahnausbau zu stoppen. Die Klimaschützer befürchten zum Beispiel, dass am Autobahnkreuz Oberhausen-Sterkrade tausende Bäume gefällt werden könnten.
Prognose: Gütertransport auf den Straßen nimmt zu
Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hatte sich Ende März auf die Beschleunigung von 145 Autobahnprojekten in acht Ländern gegen Stau-Schwerpunkte und Engstellen geeinigt und damit ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Begründet werden die Anti-Stau-Maßnahmen mit Verkehrsprognosen: In den kommenden Jahren dürften demnach deutlich mehr Waren per Lkw über die Straßen transportiert werden als bisher.
Von der Planungsbeschleunigung profitierten „hochbelastete Autobahnen, insbesondere in den großen Ballungsräumen Rhein-Main, Ruhrgebiet und im Großraum München“. Der Industriestandort Deutschland müsse in der Lage sein, Fabriken pünktlich zu beliefern.