Düsseldorf. Die NRW-Antisemitismusbeauftragte will Fußballspiele abbrechen, wenn es zu beleidigenden Vorfällen kommt. Sie möchte Zeugen besser schützen.
Die nordrhein-westfälische Antisemitismusbeauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist dafür, Fußballspiele abzubrechen, wenn es antisemitische Vorfälle, Fälle von Rassismus oder Homophobie gibt. „Dann werden die restlichen Zuschauer, die auch viel Geld für ein Spiel gezahlt haben, diese Pöbeleien nicht so einfach hinnehmen“, sagte sie der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ am Freitag. Die Profi-Vereine in NRW machten bereits eine Menge gegen Antisemitismus und Rassismus. Sie wünsche sich jedoch noch mehr Aktivitäten bei Amateur-Vereinen.
In Nordrhein-Westfalen habe es im vergangenen Jahr insgesamt 331 antisemitische Straftaten gegeben, ein Jahr zuvor habe die Zahl bei über 400 gelegen, sagte die FDP-Politikerin und frühere Bundesjustizministerin. „Aber ein Grund zur Entwarnung ist das nicht. Die Zahl ist weiterhin zu hoch“ Für eine von ihr in Auftrag gegebene Dunkelfeldstudie erwarte sie für Anfang kommenden Jahres erste Ergebnisse. „Und gleichzeitig erfasst seit April 2022 die Meldestelle Rias NRW antisemitische Vorfälle unterhalb der strafrechtlichen Grenze“, erklärte sie. „Die Zahlen werden im Juni erstmals vorgelegt.“
NRW sieht Rechtsextremismus als "derzeit größte politische Gefahr"
Generell sei nach Erkenntnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz der Rechtsextremismus derzeit als größte politische Gefahr anzusehen, sagte die Antisemitismusbeauftragte. Das decke sich mit der Statistik zu politisch motivierter Kriminalität, auch wenn unklare, antisemitische Einzeltaten eher dem Rechtsextremismus zugeordnet würden. „Eine Zurechnung wird aber auch schwieriger, weil es weniger klare Gruppierungen und Strukturen gibt“, betonte sie. Es gebe nicht „die eine Gruppe Antisemiten“. „Er findet sich in allen Gesellschaftsschichten, ob gebildet oder nicht, ob politisch links oder rechts, ebenso im Islamismus“, erklärte Leutheusser-Schnarrenberger.
Die FDP-Politikerin sagte der „Rheinischen Post“, dass die Zahl der Anzeigen zu gering sei. „Viele der Betroffenen sagen, es bringe ja doch nichts, und am Ende würden die Verfahren eingestellt“, erläuterte sie. „Deshalb bin ich strikt dagegen, dass Gerichte beweisbare Vorfälle wegen Geringfügigkeit einstellen.“ Zudem hätten viele Angst, dass der Anwalt der Beschuldigten Namen und Anschrift erfahren würde.
Zeugen müssten mit ihrer konkreten Adresse aber nicht unbedingt in den Akten vermerkt werden. „Leider ist nicht allen bekannt, dass es bei Verdacht auf Gefährdung einen Schutz gibt“, betonte Leutheusser-Schnarrenberger. Sie werbe dafür, dies bekannter zu machen. „Zur konsequenten Bekämpfung des Antisemitismus gehört neben der Prävention gerade die konsequente Ahndung von Straftaten“, sagte sie. (epd)