Düsseldorf. Der Fall der mutmaßlich durch Mitschülerinnen getöteten Zwölfjährigen bringt die Altersgrenze zur Straffähigkeit in NRW aufs Tapet.
Im Fall der von Mitschülerinnen getöteten Zwölfjährigen aus Freudenberg ist eine Debatte über ein Absenken des straffähigen Mindestalters entbrannt. „Die konkreten Umstände dieses speziellen Falls muss man sich jetzt ganz genau anschauen, um die richtigen Maßnahmen daraus abzuleiten. Das gilt auch für die Frage, ob uns eine Absenkung der Strafmündigkeit hier weiterbringt“, sagte Innenminister Herbert Reul (CDU) unserer Redaktion am Donnerstag.
Die Grenze für die Strafmündigkeit liegt bei 14 Jahren. Die mutmaßlichen Täterinnen von Freudenberg sind 12 und 13 Jahre alt und können deshalb nicht vor Gericht angeklagt werden. Reul wies darauf hin, dass Kinder unter 14 Jahren in den vergangenen fünf Jahren in Nordrhein-Westfalen zuvor nur in einem einzigen Fall wegen Mordes oder Totschlags tatverdächtig gewesen seien. Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) hält dagegen nichts von einer Strafrechtsverschärfung: „Unser Rechtsstaat und dessen Verwaltung haben unabhängig vom Strafrecht ausreichende Regelungen, um die Gesellschaft vor gewalttätigen und das Leben anderer gefährdenden Kindern zu schützen und diesen Kindern langfristig wieder ein Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen, etwa das Kinder- und Jugendhilferecht sowie das Familienrecht.“
Polizei-Gewerkschaften sind sich noch uneinig
Unter den Polizeigewerkschaften in NRW gibt es unterschiedliche Auffassungen. „Die Gesetze sind sehr alt. Die Gesellschaft hat sich verändert - auch die Kinder. Heutzutage sind viele Zwölfjährige wie 16-Jährige. Man muss das Gesetz entsprechend anpassen", forderte Erich Rettinghaus, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft, gegenüber der Rheinischen Post. Der Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Michael Mertens, hielt gegenüber unserer Redaktion dagegen: Er finde es „schwierig, wenn ein so tragischer Fall wie der in Freudenberg zum Anlass genommen wird, um die Altersgrenze bei der Strafmündigkeit in Frage zu stellen“. Diese Altersgrenze gebe es seit vielen Jahren „aus gutem Grund“, so Mertens.
Wüst hatte Präventionsarbeit gegen Jugendgewalt angekündigt
Die Zahl aller Taten, die mutmaßlich durch Strafunmündige verübt wurden, ist in NRW im vergangenen Jahr angestiegen. Es sei auffällig, dass sich bei den Jüngsten etwas getan habe, warnte Innenminister Reul bereits im Februar: „Kinder sind eindeutig zu oft Täter“. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte die Tragödie von Freudenberg einen „zutiefst verstörender Höhepunkt der Gewalt von Minderjährigen“ genannt und entschlossene Gegenmaßnahmen angekündigt: „Wir müssen diese Entwicklung nicht nur beobachten, wir müssen sie untersuchen, Ursachen finden und Präventionsarbeit leisten.“
Bislang ist noch unklar, welche Maßnahmen nachgeschärft werden sollen. Das Familienministerium verwies auf bestehende vielfältige Angebote der Gewaltprävention von Jugendhilfe, Schule und Polizei. Zudem führt die schwarz-grüne Landesregierung das Präventionsprojekt „Kurve kriegen“ für jugendliche Intensivtäter weiter, das noch Reuls Vorgänger Ralf Jäger (SPD) etabliert hatte.