Essen/Mülheim. Hochschulen im Ruhrgebiet wollen soziale Roboter als Helfer in die Stadtverwaltungen bringen. Neues Zentrum „RuhrBots“ lotet Einsatzfelder aus.

Gut möglich, dass in nicht allzu ferner Zukunft ein kleiner Roboter die Besucher einer Stadtbibliothek oder eines Einwohnermeldeamtes im Ruhrgebiet freundlich begrüßt: „Guten Tag, was wünschen Sie. Wie kann ich Ihnen helfen?“ Der Einsatz von sozialen Robotern könne eine „tolle Ergänzung“ für den bisherigen Service sein, meint Roboterforscherin Carolin Straßmann vom Institut Informatik der Hochschule Ruhr West (HRW) am Standort Bottrop. Vor allem mit Blick auf den Fachkräftemangel, der zunehmend auch Stadtverwaltungen zu schaffen mache, ergänzt die Forscherin.

Straßmann koordiniert mit zahlreichen Partnern aus der Region den Aufbau des „Kompetenzzentrums Soziale Robotik“ im Ruhrgebiet, das unter dem griffigen Titel „RuhrBots“ an den Start geht. Die Bundesregierung fördert das Projekt in den nächsten drei Jahren mit zunächst etwa vier Millionen Euro. Ziel ist der „bürgernahe und nutzergerechte“ Einsatz von Robotern in den Stadtverwaltungen der Metropole Ruhr.

Förderung der Bundesregierung

In der Produktion, in Logistikzentren, sogar in Operationssälen sind Roboter seit langem unentbehrlich, im privaten Umfeld aber sind sie allenfalls als Staubsauger oder Rasenmäher ein gewohnter Anblick. Im „sozialen Einsatz“ als Ansprechpartner und Helfer aber kennt man Roboter bislang kaum, so die Forscher.

Das möchte das Bundesforschungsministerium mit einer speziellen Förderlinie ändern und die „Technik zum Menschen bringen“. Daher fördert der Bund Forschungsvorhaben, die „interaktionsfähige Assistenzroboter“ für den Einsatz etwa im Gesundheitswesen, in Wohnanlagen, bei der Kommunikation oder eben auch für Dienstleistungen in Verwaltungen erproben.

Selbstverständlich sollen die Service-Roboter möglichst in der Sprache antworten, in der sie angesprochen werden, erklärt Straßmann. Ihre Gesichtserkennung müsse bei jeder Hautfarbe und Haartracht funktionieren, um niemanden zu diskriminieren. Ganz konkret sollen sie zum Beispiel darüber Auskunft geben können, wo in der Stadtbibliothek ein bestimmtes Buch steht, wie die Ausleihe funktioniert und man einen Bibliotheks-Ausweis bekommt.

Wege weisen und Akten tragen

Der Roboter soll Museumsbesucher zu einem gesuchten Werk führen oder zu einem bestimmten Raum in den unübersichtlichen Fluren der Stadtverwaltung, erklärt Straßmann die vielfältigen Einsatzfelder. Er soll sogar Bücher, Akten oder andere schwere Gegenstände tragen. Kurz: ein Helfer für die kleinen und größeren Fragen und Rätsel des Alltags in Rathäusern und Ämtern.

Carolin Straßmann, Roboterforscherin am Institut Informatik der Hochschule Ruhr West.
Carolin Straßmann, Roboterforscherin am Institut Informatik der Hochschule Ruhr West. © HRW | mike henning

Er muss sich womöglich sogar beschimpfen lassen. „Manche Leute möchten ihre Beschwerden lieber an einen Roboter richten als an einen Menschen“, ergaben Bürger-Workshops im Vorfeld des Projekts, berichtet Straßmann. „Das wäre eine gute Sache, wenn der Roboter erfasst, wer da vor einem steht. Sind Kinder dabei, passt er seine Texte an oder arbeitet mehr mit Filmchen als mit Text“, sagte eine Teilnehmerin in den Workshops. All das müsse jetzt in der Praxis erprobt werden.

Hemmschwellen abbauen

Und wie soll er aussehen, der Ruhrbot? Freundlich und sympathisch soll der Service-Roboter nach den Vorstellungen der befragten Bürgerinnen und Bürger sein. Er soll ein bisschen menschenähnlich wirken, aber nicht zu sehr, denn sonst wird es vielen unheimlich, so Straßmann. Der kleine Nao-Bot, mit dem die Forscher bereits arbeiten, entspricht mit seinen leuchtenden Kulleraugen und seinem kugeligen Kopf dem niedlichen Kindchenschema, was Hemmschwellen überwinden könne.

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Dass sich dennoch nicht alle Besucher von Rathäusern oder Bibliotheken gerne von einem elektronischen Helfer ansprechen und helfen lassen möchten, ahnen die Forscher. „Besonders gegenüber Robotern in sozialen Interaktionen gibt es vielfältige Vorbehalte in der Gesellschaft. Diesen werden wir mit einer kontinuierlichen Bürgerbeteiligung begegnen, um Vertrauen, Verständnis und Akzeptanz zu fördern“, meint Professorin Aysegül Dogangün vom Institut Informatik der HRW. Der Expertin für „Menschenzentrierte Technikentwicklung“ ist es wichtig, dass die Technik dem Menschen dient und nicht umgekehrt.

Erster Einsatz in Stadtbibliotheken

Das Forscherteam unter Federführung der in Mülheim ansässigen HRW will dazu soziale Roboter in verschiedenen Bereichen der Stadtverwaltungen einsetzen und mit den Beschäftigten sowie Bürgerinnen und Bürgern die Einsatzmöglichkeiten ausloten. Dadurch sollen Hürden und Berührungsängste abgebaut und die sozialen Roboter im Umgang mit der Vielfalt der Kunden trainiert werden.

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„Die Beschäftigten sollen zukünftig gerne mit dem Kollegen Roboter zusammenarbeiten. Wir werden für die Verwaltungen Hinweise entwickelt, wie die Zusammenarbeit klappen kann“, sagt Prof. Andreas Gourmelon von der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW. Starten soll der Einsatz von Ruhrbots im kommenden Jahr in ausgewählten Stadtbibliotheken im Ruhrgebiet. Straßmann: „Wir wollen sehen, wie die Roboter angenommen und genutzt werden und wo die Schwierigkeiten liegen.“

Entlastung der Beschäftigen

Obwohl die Maschinen je nach Fähigkeiten bis zu 18.000 Euro kosten, sollen sie keine Arbeitsplätze oder Mitarbeiter überflüssig machen, versichert Straßmann. Es sei derzeit ja eher so, dass in den Verwaltungen Mitarbeiter fehlten und die Beschäftigten vor lauter Arbeit nicht mehr ein und aus wüssten. Da sei jede Hilfe willkommen – und sei sie batteriebetrieben.

>>>> Der Forschungsverbund

Am Aufbau des „Kompetenzzentrums Soziale Robotik“ sind neben der Hochschule Ruhr West in Mülheim auch Forscher der Hochschule Niederrhein (Krefeld), der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW (Gelsenkirchen), der Evangelische Hochschule Nürnberg sowie des Fraunhofer „inHaus-Zentrums“ in Duisburg beteiligt.

Das Projekt ist interdisziplinär aufgestellt und beteiligt Experten aus Informatik, Technik, Marketing, Wirtschaftswissenschaften, Psychologie und Ethik.