Düsseldorf. Schwarz-Grün in Turbulenzen: Nach mehreren Volten soll der Landtag nun Milliardenschulden für Krisenhilfen freigeben. Geht das?

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat das beispiellose Hin und Her im ersten Haushaltsverfahren seiner schwarz-grünen Landesregierung mit großen wirtschaftlichen Unsicherheiten in Folge des Ukraine-Krieges begründet. Es sei unklar, wie sich die Steuereinnahmen des Landes im kommenden Jahr entwickelten und welche Belastungen auf Bürger, Kommunen und Betriebe noch konkret warteten, sagte Wüst am Dienstag im Landtag. „Wir müssen jetzt Vorsorge für diese Unwägbarkeiten treffen“, sagte der Regierungschef.

Schwarz-Grün will die Entlastungspakete des Bundes mit landeseigenen Hilfen flankieren. In einem ersten Schritt sollen 1,6 Milliarden Euro an eine Vielzahl sozialer Einrichtungen ausgeschüttet werden. Über die Finanzierung gibt es seit Wochen einen erbitterten Verfassungsstreit.

"Nordrhein-Westfalen wird von Amateuren regiert"

„Ein solchen Dilettantismus hat das Land noch nicht erlebt: In der schwersten Krise seit Jahrzehnten wird Nordrhein-Westfalen von Amateuren regiert“, schimpfte SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty im Parlament. FDP-Fraktionschef Henning Höne nannte Wüst einen „Schönwetter-Ministerpräsidenten“, der vorrangig Fototermine absolviere und sich nicht um verfassungsfeste Krisenhilfen kümmere.

Schwarz-Grün hatte zunächst eine konjunkturelle Notlage des Landes bestritten und wollte stattdessen Corona-Kredite für Energiekrisen-Hilfen zweckentfremden. Nach dem Einschreiten des Landesrechnungshofs wurde vor zwei Wochen dann doch offiziell eine „außergewöhnliche Notsituation“ ausgerufen, um die Schuldenbremse umgehen und Kredite von bis zu fünf Milliarden Euro aufnehmen zu können. Nach einem abermaligen Veto des Landesrechnungshofs und dem überraschenden „Fund“ von 1,3 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen am vergangenen Wochenende, soll die Schuldenbremse nun erst 2023 umgangenen werden.

Steuerzahlerbund: Notlagen nicht beliebig ausrufen

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) warnte Wüst am Dienstag vor diesem neuen Manöver: „Notlagen im Geiste der Schuldenbremse fast beliebig auszurufen und Sondervermögen zu bilden, wird der aktuellen Lage nicht gerecht“, kritisierte BdSt-Landeschef Rik Steinheuer. Es ist unklar, ob die Wirtschaftsprognosen für NRW wirklich derart düster sind, dass neue Milliardenkredite aufgenommen werden dürfen. Andere Bundesländer bezahlen Krisenhilfen aus ihren Stammhaushalten.

SPD und FDP vermuten, dass sich Schwarz-Grün rechtswidrig ein Finanzpolster für normale Koalitionsvorhaben des nächsten Jahres schaffen will. Sie werden wohl den Verfassungsgerichtshof einschalten: „Ihr Sondervermögen ist nicht verfassungsfest. Es ist schlecht begründet und es ist schlecht gemacht“, sagte Kutschaty, der früher selbst Justizminister war. FDP-Mann Höne monierte eine rechtlich fragwürdige Aufweichung der Schuldenbremse und fehlenden Ehrgeiz, zunächst im Stammhaushalt einmal Sparmöglichkeiten zu suchen. Wüst hingegen appellierte an die Opposition, gemeinsam in Zeiten der Unsicherheit den Menschen „ein Stück Sicherheit“ zu geben.