Essen/Dortmund. Grundschulstudie zeigt deutliche Unterschiede im Wortschatz bei Viertklässlern. Forscher fordern mehr Sprachförderung in Kitas und Grundschulen.
Grundschulkinder, die fast täglich Bücher lesen, verfügen über einen erheblich höheren Wortschatz als Kinder, die hauptsächlich an digitalen Geräten lesen. Benachteiligt sind ebenso Kinder mit einer Zuwanderungsgeschichte sowie Kinder, deren Eltern einen eher niedrigen Bildungsabschluss haben.
Dies ergab eine Analyse, für die das Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) der TU Dortmund die Daten von bundesweit gut 4600 Schülerinnen und Schülern der vierten Klasse aus 252 Grundschulen ausgewertet hat. Die Kinder hatten im Frühjahr an der regelmäßigen „Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung“ (IGLU) teilgenommen. Die Ergebnisse der IGLU-Sonderauswertung verdeutlichten einmal mehr den Zusammenhang von Herkunft und Bildungserfolg, so die Bildungsforscher. Der Wortschatz müsse in den Grundschulen systematisch gefördert und spezifische Schülergruppen stärker in den Blick genommen werden.
22 Prozent lesen fast nie ein Buch
Demnach gab die Hälfte der Grundschulkinder an, fast täglich Bücher zu lesen, während 22 Prozent nie oder maximal einmal im Monat ein Buch in die Hand nehmen. Schülerinnen und Schüler, die viel lesen zeigten dabei einen deutlichen Vorsprung beim Wortschatz gegenüber ihren Altersgenossen, die kaum lesen. „Die durchschnittlichen Unterschiede entsprechen zwischen manchen Schülergruppen dem Lernzuwachs von über einem Jahr“, so die Studie.
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Bemerkenswert: Häufiges Lesen an digitalen Geräten hat demnach keinen positiven Effekt auf den Wortschatz der Kinder. Die Forscher sprechen sogar von einem „negativen Zusammenhang“. IFS-Forscher Ulrich Ludewig: „Der Wortschatz ist am kleinsten, wenn Kinder oft an digitalen Geräten lesen und gleichzeitig selten bis nie ein Buch.“ Dies hängt nach Meinung der Wissenschaftler vermutlich mit der Art der digitalen Texte zusammen, die häufig aus Chat-Nachrichten, kurzen Anweisungen in Apps oder knappen Sätzen mit einem eingeschränkten Wortschatz bestünden.
Gezielte Förderung nötig
Denkbar sei, dass sich Kinder mit einem kleinen Wortschatz nicht an Bücher herantrauten und deshalb gezielt mit leichteren Büchern zum Lesen motiviert werden müssten, sagt IFS-Leiterin Nele McElvany. Die Sonderauswertung zeige, „dass Kinder beim Erwerb und Ausbau der sprachlichen Kompetenzen gezielte Unterstützung in den Grundschulen benötigen, besonders, wenn die familiäre Umgebung eher wenige Lerngelegenheiten bietet“, sagte Bildungsforscherin McElvany. Um mehr Bildungsgerechtigkeit zu erreichen, sei ab der ersten Klasse eine regelmäßige Überprüfung der Sprachkompetenzen mit anschließender Förderung „unter Einbezug der Familien dringend geboten“.
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„Dafür fehlt in vielen Schulen aktuell schlichtweg die Zeit“, sagte Anne Deimel, NRW-Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung mit Blick auf die Forderung der Bildungsforscher. Allein an Grundschulen seien derzeit 3400 Stellen nicht besetzt. Ohne Fachkräfte sei Sprachförderung nicht umsetzbar. „Die Landesregierung ist gefordert, mehr Menschen für Bildungsberufe zu begeistern und die bestehenden Fachkräfte zu halten“, so Deimel.