Düsseldorf. Landeseinrichtungen sind am Limit. Mann mit Verdacht auf offene TBC fuhr mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Castrop-Rauxel.

NRW gerät offenbar bei der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine zunehmend an Grenzen. Die Landesunterkünfte haben inzwischen Probleme bei der Gesundheitsuntersuchung dieser Geflüchteten, wie aus Dokumenten hervorgeht, die dieser Redaktion vorliegen. In mindestens einem Fall wurde sogar ein Mann, bei dem der Verdacht auf eine offene Tuberkulose vorlag, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Castrop-Rauxel geschickt, verbunden mit der Aufforderung an die Stadt, den Betroffenen dort zu untersuchen.

Kommunen ächzen unter den Pflichten bei der Flüchtlingsaufnahme

Auf Anfrage von SPD-Landtagsfraktionsvize Lisa-Kristin Kapteinat erklärt die Verwaltungsspitze von Castrop-Rauxel, dass es sich tatsächlich so zugetragen habe: „Leider muss ich Ihnen den skizzierten Vorfall bestätigen.“ Durch die „nicht hinlänglich erfolgten TBC-Ausschlussuntersuchungen in den Landesunterkünften“, könnten sich solche Fälle ereignen. Die Stadtverwaltung spricht in diesem Zusammenhang von „Risiken“ und hohem Arbeitsaufwand für Kommunen, die stark belastet seien.

In einem Schreiben des NRW-Integrationsministeriums, das an alle Kommunen im Land verschickt wurde, beschreibt das Land einen deutlichen Anstieg der Zugänge von Geflüchteten aus der Ukraine seit Mitte Juli. Die Landesnotunterkünfte seien „nahezu voll ausgelastet“. Aufnahme und Zuweisung dieser Menschen müssten weiterhin binnen Wochenfrist geschehen. Es gelinge derzeit nicht, parallel zum Ausbau weiterer Unterkünfte in jedem Fall die vorgeschriebenen Tuberkuloseuntersuchungen durchzuführen, steht dort. Laut dem Robert-Koch-Institut gehört die Ukraine zu den europäischen Ländern mit den höchsten TBC-Inzidenzen.

"Unverzüglich" kann auch heißen: 14 Tage später

Das NRW-Gesundheits- und das Integrationsministerium haben sich darauf geeinigt, dass der Pflicht, die Geflüchteten „unverzüglich“ auf TBC zu untersuchen, auch dann Genüge getan werde, wenn sie schon in eine Kommune geschickt wurden und erst dort innerhalb von 14 Tagen getestet würden. Die Landesregierung bittet die Städte abschließend um Verständnis, „dass es aktuell dazu kommen kann, dass ein Teil der Ihnen zugewiesenen Personen noch nicht abschließend gesundheitsuntersucht ist und Sie die TBC-Untersuchung bei Unterbringung der Personen in einer Gemeinschaftseinrichtung durchführen müssen.“

"Die NRW-Regierung lässt Verantwortungsgefühl vermissen und die Kommunen völlig im Stich. Die Zuweisung von Geflüchteten an die Kommunen ohne erfolgte Testung auf Tuberkulose erscheint nicht nur im Hinblick auf die noch bestehenden Corona-Regelungen hochriskant“, sagte Lisa-Kristin Kapteinat dieser Redaktion. Das Land fordere von den Kommunen, was es selbst nicht schaffe. „Dabei sind von den über 214.000 Geflüchteten gerade einmal rund 2.900 in landeseigenen Unterkünften. Ministerin Josefine Paul (Grüne) muss hier dringend eingreifen“, fordert Kapteinat.