Bonn. Das Treffen des SPD-Parteinachwuchses am Wochenende war auch eine Abrechnung mit der Landtagswahlkampagne.
Dreieinhalb Monate nach der Landtagswahl nimmt die Unzufriedenheit der Jungsozialisten (Jusos)in NRW mit der Aufarbeitung des historisch schlechtesten Wahlergebnisses durch die Parteispitze zu. „Das ist unsere Zeit, um der NRW-SPD kräftig in den Arsch zu treten“, sagte die neue Landesvorsitzende der Jusos, Nina Gaedike am Wochenende bei ihrer Bewerbungsrede in Bonn. „Schämt Euch“ rief die 24-jährige Lehramtsstudentin aus Münster den Verantwortlichen der missglückten SPD-Wahlkampagne zu.
Wo war das "eigene politische Rückgrat"?
Ambitionslos sei der Wahlkampf gewesen und geprägt von „Anbiederung“ an die Konservativen. „Vermeintliche Beliebtheitswerte schienen wichtiger als das eigene politische Rückgrat“, wetterte Gaedike. Das Ergebnis aus ihrer Sicht: „Offensichtlich bestand keinerlei Vertrauen in die NRW-SPD“. Im Mai habe man 300.000 Menschen eher davon überzeugt, nicht zur Wahl zu gehen, als der SPD ihre Stimme zu geben. Bei der inneren Sicherheit habe sich SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty zum Beispiel nicht vom CDU-Innenminister Herbert Reul abgesetzt. Ein schwerer Fehler, findet Gaedike: „Wenn die Sozialdemokratie meint, sich in essenziellen Themen einfach zurückzuziehen, dann schaffen wir uns selber ab.“ Im neuen Amt möchte sie mit „feministisch-lauter Stimme“ sprechen.
72 Prozent der Stimmen für Gaedike
Im Wahlergebnis für die junge Frau aus Münster – 72 Prozent der Stimmen -- spiegelt sich die Zerrissenheit der Jusos in NRW in diesen Monaten. 97 Delegierte stimmten für sie, 23 gegen sie, 14 enthielten sich der Stimme. Der SPD-Parteinachwuchs traf sich am Wochenende zur zweitägigen Landeskonferenz in Bonn. Das Motto: „Zeit für Sozialismus“.
Dass es bei den Jusos in NRW gärt, zeigte sich auch am Scheitern des bisherigen Vorsitzenden, Konstantin Achinger (28), beim Versuch, für den stellvertretenden SPD-Vorsitz in NRW kandidieren zu dürfen. Er bekam nur 61 Ja-Stimmen. 69 Delegierte lehnten seine Nominierung ab, acht enthielten sich. Achinger stand nur zwei Jahre lang an der Spitze des Juso-Landesverbandes. Darüber, ob er seine Arbeit gut oder schlecht gemacht hat, gingen die Stimmen bei der Landeskonferenz auseinander.
Ex-Juso-Landesvorsitzender Achinger dringt auf bessere Aufarbeitung der Niederlage
Konstantin Achinger gehört wie seine Nachfolgerin Nina Gaedike zu jenen, die scharf mit der Führung der NRW-SPD-Spitze um Thomas Kutschaty und Generalsekretärin Nadja Lüders abrechnen. Die Aufarbeitung der bitteren Wahlniederlage sei nicht überzeugend. „Alles ist beim Alten geblieben“, sagte der Student aus Münster zum Ende seiner Amtszeit als Juso-Landeschef.
Die NRW-SPD habe „ihre Hausaufgaben nicht gemacht, und das werden wir ihnen nicht durchgehen lassen“, rief Achinger. Er schimpfte auch über das aus seiner Sicht zu schwache soziale Engagement der „Ampel“-Regierung im Bund. Ausgerechnet unter einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung nehme die Ungleichheit in Deutschland zu.