Essen. Die Grundsteuerreform bleibt in NRW umstritten. Städte sind in Sorge um Fristen. NRW-Finanzminister weicht Presseanfragen aus. Was ist da los?

Besorgte Kommunen, abgeblitzte Journalisten, Nadelstiche der FDP-Opposition und ein nicht schwinden wollender Beratungsbedarf der Bürgerinnen und Bürger: Die NRW-Landesregierung gerät wegen ihres Umgangs mit der Grundsteuerreform immer stärker unter Druck.

Kommunen sorgen sich um ihre Einnahmen

Vor allem die Kommunen sind in großer Sorge, ob der Umbau des Grundsteuersystems noch fristgerecht gelingt. Nicht ohne Grund: Die Einnahmen aus der Kommunalabgabe der Bürger auf Grundstücke und Immobilien zählen zu den mit Abstand wichtigsten Finanzquellen der Städte und Gemeinden.

„Auch ein nur temporärer Ausfall der Grundsteuer darf keinesfalls riskiert werden"

Bei einer Expertenanhörung im Landtag positionierten sich die Kommunalvertreter am Donnerstag deshalb strikt gegen jede Verzögerung der Reform. Die Kommunen seien auf die Grundsteuereinnahmen dringend angewiesen, hieß es in einer Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Nordrhein-Westfalen. „Auch ein nur temporärer Ausfall der Grundsteuer darf keinesfalls riskiert werden“, betonten die kommunalen Spitzenvertreter.

Urteil aus dem Jahr 2018

Hintergrund: Die Grundsteuer muss in einem aufwendigen Verfahren bundesweit neu berechnet werden. Anlass ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2018. Es verpflichtet den Gesetzgeber, die jahrzehntealten und völlig überholten Bewertungsgrundlagen von Grundstücken, Häusern und anderen Immobilien auf den aktuellen Stand zu bringen.

Bundesweit mehr als 35 Millionen Grundstücke

Für die Umsetzung der Reform müssen Finanzverwaltungen, Kommunen und die Eigentümer von bundesweit mehr als 35 Millionen Grundstücken an einem Strang ziehen. Gelingt das nicht, dürfen die Kommunen die Grundsteuer nach dem bestehenden System ab Januar 2025 nicht mehr erheben. In den Kommunalhaushalten brächen dadurch über Nacht Millionen-Einnahmen weg.

Damit es nicht so weit kommt, verdonnerte die Finanzverwaltung Grundeigentümer dazu, schon in diesem Jahr erstmals eine Grundsteuererklärung abzugeben. Wer seit dem 1. Januar 2022 Besitzer eines Grundstücks, eines Hauses oder einer Eigentumswohnung ist oder war, muss eine Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts abgeben. Allein in NRW betrifft das rund 6,5 Millionen Eigentümer.

Online-Vorgabe stößt auf Kritik

Doch das von den Finanzbehörden des Landes vorgegebene Verfahren stößt auf breiten Unmut. Viele Bürgerinnen und Bürgern fühlen sich von dem mitunter komplizierten Fragenkatalog schlichtweg überfordert. Für Kritik sorgt auch, dass die Finanzämter darauf pochen, die Erklärung möglichst online über das Steuerportal Elster einzureichen.
Offenbar sorgt die Komplexität des Verfahrens für einen bislang nur mäßigen Rücklauf.

Nach einer Recherche des „Handelsblattes“ Ende vergangenen Woche sind im Durchschnitt der Bundesländer bislang nur etwa rund zehn Prozent der Anträge bei den Finanzämtern eingegangen - obwohl bereits fast die Hälfte der viermonatigen Antragsfrist abgelaufen ist. Fachleute bezweifeln, dass in den verbleibenden Wochen bis Ende Oktober das Gros der Grundsteuererklärungen noch fristgerecht eingereicht wird.

NRW-Finanzminister will nicht antworten

Pikant: Als einziges Bundesland machte NRW gegenüber dem Blatt keinerlei Angaben über den Rücklauf der Grundsteuerklärungen. Auch auf mehrmalige Anfrage dieser Redaktion schwieg sich das von Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) geführte Haus zum Thema beharrlich aus. Das hat nun die FDP-Landtagsopposition auf den Plan gerufen. „Ich gehe fest davon aus, dass die Lage in NRW nicht substanziell besser ist als in den anderen Bundesländern“, sagte der stellvertretende FDP-Landtagsfraktionschef Ralf Witzel dieser Zeitung. Die Zurückhaltung deute vielmehr daraufhin, dass die Zahlen in NRW sogar noch schlechter sein dürften als bundesweit, betonte der Essener Politiker mit Blick auf das Schweigen des Finanzministers.

Anpassungsklausel

Dabei war es die FDP, die den sorgenvollen Grundsteuer-Appell der Kommunen im Landtag ausgelöst hatte. Die Liberalen haben einen Gesetzesentwurf für ein vereinfachtes Grundsteuermodell auf den Weg gebracht. Schwarz-Grün besteht indes auf dem so genannte Bundesmodell, das auch den jeweiligen Ertragswert einer Immobilien miteinbezieht und zudem eine Anpassungsklausel nach jeweils sieben Jahren beinhaltet.

Die Kommunen erteilten dem FDP-Vorstoß mit Blick auf möglichen Zeitverzug eine klare Absage. Doch sowohl die FDP als auch Steuerzahlerbund NRW, Haus & Grund und der Verband Wohneigentum laufen seit Monaten Sturm gegen das NRW-Modell, das sie für nicht rechtssicher halten. Mögliche Klagen, so heißt es, könnten die Reform weiter verzögern.