Düsseldorf. Der gescheiterte Spitzenkandidat und Vize-Ministerpräsident zieht Konsequenzen aus dem Wahldebakel.
Die nordrhein-westfälische FDP stellt sich nach der schweren Wahlniederlage im Mai personell endgültig neu auf. Der Landesparteichef und ehemalige Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp kündigte am Donnerstag an, bei den Vorstandswahlen Anfang des nächsten Jahres nicht erneut zu kandidieren.
Der Schritt war erwartet worden, schließlich hatten die Liberalen ihr Ergebnis bei der Landtagswahl auf nur noch 5,9 Prozent mehr als halbiert und waren in hohem Bogen aus der Landesregierung geflogen. Nachdem Landtagsfraktionschef Christof Rasche sein Amt schon wenige Tage nach dem Debakel für den 35-jährigen Henning Höne geräumt hatte, schien auch die Erneuerung an der Parteispitze nur eine Frage der Zeit zu sein.
In einem Schreiben an die FDP-Mitglieder, aus dem der Bonner General-Anzeiger vorab zitierte, begründete Stamp seinen späten Rückzug damit, dass er sich „dafür verantwortlich fühle, einen geordneten Neuanfang sicherzustellen“. Dass es kaum vernehmbare Rufe nach einer sofortigen Ablösung des gescheiterten Spitzenkandidaten gab, erklärt sich wohl aus dem parteiübergreifenden Ansehen, das sich der 52-jährige Bonner erworben hat.
Zweigleises Modell in der Ausländerpolitik etabliert
Stamp verantwortete seit 2017 die Ausländer- und Flüchtlingspolitik der Landesregierung und etablierte dabei ein zweigleisiges Modell: Härte gegen ausländische Straftäter auf der einen Seite, maximale Offenheit und Unterstützung bei gut integrierten Zuwanderern auf der anderen. Seit den Anfängen im Bonner Stadtrat und selbst in schwierigsten Zeiten als FDP-Generalsekretär blieb Stamp diesem liberalen Grundsatz treu. Wahlkampf mit Ressentiments wäre mit einem wie ihm nicht denkbar gewesen.
Als Nachfolger des 2017 endgültig nach Berlin gewechselten Christian Lindner hatte Stamp bei liberalen Anhängern in NRW stets damit zu kämpfen, kein Mann des Glamours und rhetorischen Feuerwerks zu sein. Dafür wird der Hobbyfußballer und verheiratete Vater von zwei Töchtern allenthalben als kundiger Integrationsexperte und ehrliche Haut geschätzt.
Als Laschet weg war, wurde es schwieriger
Mit dem leutseligen Rheinländer Armin Laschet (CDU) bildete Stamp über Jahre eine verlässliche, fast freundschaftlich verbundene Regierungsachse. Als der Ministerpräsident jedoch als Kanzlerkandidat der Union jäh scheiterte, wurde es auch für Schwarz-Gelb in Düsseldorf ungemütlicher. Der gewiefte Hendrik Wüst und seine Truppe achteten fortan auf Distanz zum Koalitionspartner, um sich Problemthemen wie Corona und Schule vom Hals zu halten - was dem Loyalitätsverständnis von Stamp widersprach. Noch am Wahlabend beklagte er sich heftig über die Wüst-CDU.
Als einfacher Landtagsabgeordneter bleibt Stamp zunächst dem Düsseldorfer Betrieb erhalten. Wer seine Nachfolge als FDP-Chef antreten soll, wurde noch nicht bekannt. Es spricht manches dafür, in den nun wartenden tristen Oppositionsjahren dieses Amt zusätzlich dem neuen Landtagsfraktionschef Höne anzutragen.