Essen. Schwarz-Grün in NRW verspricht den NRW-Kommunen eine schnelle Lösung des Altschuldenproblems. Doch es gibt auch Kritik am Koalitionsvertrag.

Fünf Millionen Einwohner, wirtschaftliche Kernregion, Ballungsraum mit vielfältigen Perspektiven und ebenso vielen Problemen: Wer NRW erfolgreich regieren will, kommt um einen gesonderten Blick aufs Ruhrgebiet kaum herum. Der am Donnerstag vorgestellte Koalitionsvertrag von CDU und Grünen widmet dem Revier immerhin ein eigenes Unterkapitel. Keiner anderen Region des Landes – mit Ausnahme des rheinischen Braunkohlereviers – wurde das zuteil.

Wenn Koalitions-Prosa auf Wirklichkeit trifft

Doch wie sieht es aus, wenn Koalitions-Prosa auf harte Wirklichkeit trifft? Im Fokus steht für Schwarz-Grün vor allem der klimagerechte Umbau von Industrie und Ruhrwirtschaft. Dieser Prozess soll „begleitet“, das 5-Standorte-Programm zur Abfederung des Steinkohle-Ausstiegs „unterstützt“ werden. Auf industriellen Altstandorten sollen neue Arbeitsplätze entstehen. Den Revier-Kommunen soll durch „unbürokratische Förderungen“ Erwerb und Sanierung solcher Flächen erleichtert werden.

Ruhrkonferenz geht weiter

Auch die von der schwarz-gelben Vorgängerregierung aufs Gleis gesetzte Ruhrkonferenz, von führenden NRW-Grünen im Wahlkampf noch als „Sammelsurium von Projekten“ belächelt, darf weiterbestehen. Sie soll unter anderem den „Metropolgedanken“ im Revier befördern, muss sich aber in zwei Jahren einer Überprüfung stellen.

Altschuldenlösung in Sicht

Vergleichsweise konkret wird der Vertrag bei den kommunalen Altschulden. Beim wohl größten Sorgenkind der hoch verschuldeten Revierstädte will das Land „unmittelbar“ helfen. Heißt: Noch in diesem Jahr soll mit dem Bund eine Lösung vereinbart werden, wie die in Zeiten steigender Zinsen immer bedrohlichere Kreditkulisse der Kommunen abgebaut werden kann. Für den Fall, dass der Bund nicht mitzieht, verspricht Schwarz-Grün einen eigenen Altschuldenfonds.

„Wir erwarten konkrete Gesprächsangebote"

Besonders an dieser Stelle sorgt das schwarz-grüne Vertragswerk für entspanntes Aufatmen mit gleichwohl skeptischen Nebengeräuschen. Die Rathauschefs von Essen und Bochum, Thomas Kufen (CDU) und Thomas Eiskirch (SPD) nannten den Schritt am Freitag überfällig. In einer Mitteilung des NRW-Städtetages, an deren Spitze die beiden Revier-OBs stehen, hieß es dennoch mahnend: „Wir erwarten konkrete Gesprächsangebote, bevor sich das Zeitfenster für eine günstige Lösung schließt.“

„Licht am Ende des Tunnels“

Auch der Vorsitzende des Ruhrparlaments, Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda, sieht in dem Altschulden-Passus „Licht am Ende des Tunnels“. Nun müsse das Land die „ausgestreckte Hand der Bundesregierung“ schnellstmöglich ergreifen, sagte der SPD-Politiker dieser Redaktion. Zuletzt hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zehn Milliarden Euro für die Entschuldung der NRW-Kommunen versprochen.

"Teilweise unambitioniert und altbacken"

Dudda nennt den Geist des schwarz-grünen Vertragswerks ansonsten wenig schmeichelhaft „in Teilen unambitioniert und altbacken“. Der Kernbotschaft der Koalition, NRW zum klimaneutralen Industrieland zu machen, fehle eine „Gesamtstrategie“. Außerdem sei das Ruhrgebiet in manchen Bereiche schon viel weiter, als der Koalitionsvertrag suggeriere. „Grünste Industrieregion Europas zu werden, ist für uns längst politischer Alltag“, so Dudda. Als konkrete Projekte nannte er die vom Regionalverband Ruhr erarbeitete Biodiversitätsstrategie und das Wasserstoff-Netzwerk der Kommunen.

Kein Standort für große Windparks

Apropos neue Energien: Der Windkraftausbau, den Schwarz-Grün deutlich forcieren will, wird am Revier nach Einschätzung Duddas eher vorbeisegeln. Das Ruhrgebiet sei wegen seiner Siedlungsdichte für große Windparks „einfach kein Standort“.