Essen. Der Verkehrsverbund VRR bringt höhere Parkgebühren in Städten als neue Finanzierungsquelle für den Ausbau des ÖPNV ins Gespräch.

Der Ansturm von Fahrgästen auf das billige 9-Euro-Ticket im Nahverkehr richtet die Debatte um die künftige Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs neu aus. Auf der Suche nach zusätzlichen Einnahmequellen für den ohne millionenschwere Zuschüsse nicht überlebensfähigen ÖPNV nimmt jetzt der Verkehrsverbund Rhein Ruhr (VRR) die Gebühren aus der Parkraumbewirtschaftung der Städte ins Visier.

Die Idee: Parkgebühren auf öffentlichen Parkflächen, in kommunalen Parkhäusern und die Einnahmen für Anwohnerparkausweise könnten im Ruhrgebiet deutlich erhöht werden und anschließend direkt in den Ausbau des Nahverkehrs fließen.

Klimaziele: Ausbau des ÖPNV um 24 Prozent nötig

Der VRR hatte im Vorfeld mehrere zusätzliche Finanzierungsquellen für den ÖPNV prüfen lassen, darunter auch eine City-Maut für Autofahrer, eine Arbeitgeber-Abgabe und ein Sonderobolus für Touristen. Hintergrund: Laut einer Studie des Branchenverbandes VDV aus dem vergangenen Jahr ist ein bundesweiter Ausbau des ÖPNV um rund 24 Prozent des derzeit bestehenden Angebots erforderlich, wenn die deutschen Klimaziele bis 2030 im Verkehrssektor erreicht werden sollen.

„Allen Beteiligten ist bewusst, dass die Umsetzung dieses Ziels sehr anspruchsvoll ist und mit den bestehenden Finanzierungsstrukturen nicht zu leisten ist“, heißt es dazu warnend in einem aktuellen VRR-Verwaltungspapier, das der WAZ vorliegt.

Deutsche Durchschnittgebühren fürs Parken im Vergleich gering

Besonders in den Parkgebühren liegt aus Sicht des VRR enormes Potenzial. „Im Vergleich zu Ländern in Nordeuropa, in denen gerne mal bis zu 1000 Euro pro Jahr an Parkgebühren für Bewohner anfallen, nehmen sich Durchschnittsgebühren in Deutschland von 80 Euro geradezu harmlos aus. Zudem beschränken sich die Parkgebühren hierzulande zumeist auf den Stadtkern mit seinem knappen Parkraum“, sagte VRR-Vorstand José Luis Castrillo der WAZ.

Vorbild Wien

Die Methode, Parkeinnahmen als Geldquelle für den ÖPNV zu erschließen, gilt wegen des Zugriffs der Kommunen zudem als kurzfristig umsetzbar und ist in anderen Regionen ein längst erprobtes Modell. Beispiel Wien: Der viel beachtete Erfolg der österreichischen Hauptstadt in Sachen Nahverkehr fußt auch auf der Zweckbindung von Parkeinnahmen zugunsten des ÖPNV. Im letzten Vor-Corona-Jahr 2019 nahm die Stadt 200 Millionen Euro an Parkgebühren und Knöllchen ein. Allerdings ist das Parken in Wien deutlich teurer als in den Städten des Ruhrgebiets. Das „Parkpickerl“ für Anwohner kostet mindestens 120 Euro im Jahr zuzüglich 50 Euro Verwaltungsgebühr und ist seit März dieses Jahres im gesamten Wiener Stadtgebiet erforderlich.

Vorschlag politisch brisant

Im Vergleich zur Donaumetropole nimmt sich das Ruhrgebiet dagegen wie eine Billigparkzone aus. Anwohnerparkausweise kosten hierzulande nicht mehr als 30 Euro im Jahr. In den Außenbereichen ist das Parken meist kostenlos. Dass höhere Parkgebühren politischen Sprengstoff bergen, ist den VRR-Verantwortlichen bewusst. Gerade im Ruhrgebiet mit seinen um Anziehungskraft ringenden Innenstädten gelten die vergleichsweise niedrigen Preise fürs Parken als Standortfaktor.

Auf Dauer hilft nur mehr Geld von Bund und Land

Der Verbund geht das Thema daher eher defensiv an. „Ob ein solches Instrument sinnvoll eingesetzt werden kann und sich daraus finanzielle Spielräume ergeben, Mobilitätsangebote zu finanzieren, hängt von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten ab. Insoweit gibt es dafür auch keine pauschalen Lösungsansätze“, sagte VRR-Vorstandsmitglied José Luis Castrillo auf WAZ-Nachfrage. Klar ist: Der Königsweg in der ÖPNV-Finanzierung ist die Parkraumbewirtschaftung nicht. Auf Dauer könne nur deutlich mehr Geld von Bund und Länder das ÖPNV-Angebot retten, so Castrillo.