Düsseldorf. „Landwirtschaftliche Produkte müssen dauerhaft teurer werden“, sagt Hubertus Beringmeier, Präsident des Bauern-Verbandes WLV.
Der Krieg in der Ukraine wirkt auch auf die Landwirtschaft in NRW. Hubertus Beringmeier, Chef des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes, fordert im Gespräch mit Matthias Korfmann mehr Freiheiten für Bauern und höhere Preise für Produkte.
Herr Beringmeier, welche Auswirkungen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine spüren die Landwirte?
Beringmeier: Die Auswirkungen sind deutlich spürbar. Einerseits profitieren reine Ackerbauern von den aktuell hohen Getreidepreisen. Andererseits erleben wir extrem gestiegene Preise für Futtermittel, Dünger und Energie, und das macht gerade den Tierhaltern zu schaffen. Dünger kostet zum Beispiel das Dreifache im Vergleich zum Vorjahr. Die Verbraucher reagieren sehr sensibel auf höhere Fleischpreise, achten weniger auf die Haltungsstufen und neigen zum Sparen. Folge: Fleisch bleibt zum Teil im Laden liegen. Es wird in Deutschland leider mehr beim Essen gespart als beim Urlaub und beim Auto.
Werden landwirtschaftliche Produkte immer teurer?
Beringmeier: Sie müssen dauerhaft teurer werden, wenn wir in Deutschland Landwirtschaft behalten wollen. Unsere Bauern müssen von ihrer Arbeit leben können. Der Verkaufspreis im Laden muss keine schwindelerregenden Höhen erreichen, aber 30 Prozent mehr sollten es schon sein. Als Produzenten bekommen wir heute einfach zu wenig ab vom Kuchen.
Passen die Regeln für die Landwirtschaft in diese unsichere Zeit?
Beringmeier: Es gibt da ein starres Korsett in der EU. Wir Bauern können nicht einfach das tun, was wir möchten, wir müssen Fruchtfolgen beachten und Flächen vorübergehend stilllegen. Zum Beispiel soll ab 2023 verboten werden, zweimal nacheinander Weizen auf der gleichen Fläche anzubauen. Man will die Landwirtschaft in Europa extensivieren. Das passt allerdings nur noch mit Abstrichen in eine Zeit, in der die Versorgungsprobleme weltweit zunehmen. Wir Bauern sind auch für Klima-, Umwelt- und Artenschutz, aber wir benötigen aktuell mehr Spielraum.
Gibt es Ernährungssicherheit?
Beringmeier: In diesem Jahr ist sie auf jeden Fall gegeben. Deutschland und die EU können sich derzeit selbst versorgen. Ob das so bleibt, hängt davon ab, wie lange dieser fürchterliche Krieg dauert, ob die Ukraine irgendwann wieder liefern kann, ob es Handelsbeziehungen mit Russland geben wird. Da gibt es noch viele Fragezeichen.
Im Sondierungspapier von CDU und Grünen werden die konventionelle und die ökologische Landwirtschaft auf Augenhöhe gesehen. Ist das in Ihrem Sinne?
Beringmeier: Natürlich, jede Form der Landwirtschaft muss sich im Markt und in der gesellschaftlichen Diskussion bewähren. Es macht aber wenig Sinn, hochambitionierte Wachstumsraten für die ökologische Landwirtschaft festzuschreiben, wenn die Verbraucher deren Produkte nicht in dem Maße nachfragen. Es wäre okay, wenn eine neue NRW-Regierung sagen würde: „Wir brauchen mehr „Bio“!“. Aber harte Quoten, die keinen Bezug zum Markt haben, machen nicht nur keinen Sinn, sondern gefährden auch das Überleben der Betriebe, die heute schon auf Bio-Produkte setzen.
CDU und Grüne fordern weniger chemische Pflanzenschutzmittel und mehr Tierwohl. Einverstanden?
Beringmeier: Man kann den Einsatz von Chemie reduzieren, aber bitte nicht mit der Brechstange. Wir wissen nicht, wie genau sich der Klimawandel auf unsere Kulturen auswirkt, und mit welchen Schädlingen wir es künftig zu tun haben. Die vom Bund geplante fünfstufige Kennzeichnung von Schweinefleisch ist in Ordnung. Die Verbraucher wünschen sich klare Angaben zur Haltung. Aber sie wünschen auch Aussagen zur Herkunft, wollen oft, dass das Fleisch aus Deutschland kommt. Die Bundesregierung plant aktuell nur einen kleinen Wurf, spricht nur von Schweine-Frischfleisch, also nur von 24 Prozent der Schweinefleisch-Produktion. Das hätte man für alle Fleischsorten und auch für verarbeitete Ware machen müssen. Dann könnte der Gast im Restaurant sehen, was für Fleisch er isst.
Haben Sie Sorgen davor, dass künftig wohl die Grünen in NRW mitregieren?
Beringmeier: Wir sind zur Zusammenarbeit bereit und erwarten von der neuen Landesregierung, dass sie uns unterstützt. Wenn wir uns in Deutschland eine deutlich teurere Tierhaltung erlauben wollen als unsere EU-Nachbarn, dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird das vom Staat finanziert, oder die Tierhaltung wandert ab ins Ausland. Wir entdecken gerade neu, wie gut es ist, in Krisenzeiten eine leistungsfähige Landwirtschaft zu haben.
Wir Landwirte sind auf jeden Fall bereit, flächendeckend höhere Tierwohlstandards umzusetzen. An uns wird es nicht scheitern. Dies wird aber nur dann möglich sein, wenn die Regierungen in Düsseldorf und Berlin dafür sorgen, dass unser Baurecht Umbauten auch ermöglicht und die Finanzierung dieser Maßnahmen seriös geklärt wird.