Düsseldorf. Erste Länder erhalten kein russisches Gas mehr. In NRW wächst die Sorge vor Engpässen. Industriebetriebe stellen auf alternative Brennstoffe um.

Polen und Bulgarien bekommen kein russisches Gas mehr. „Aktuell ist die Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleistet“, sagte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart dieser Redaktion. Ein Embargo würde NRW aber hart treffen.

Herr Minister Pinkwart, kann die Industrie in NRW ohne Gas aus Russland durchhalten?

Andreas Pinkwart: Viele Industriebetriebe in NRW stellen ihre Anlagen, soweit möglich, auf alternative Brennstoffe um. Die Landesregierung hilft, dies bei Bedarf durch schnelle Behördenentscheidungen zu ermöglichen. Gleichzeitig erhöhen die Unternehmen mit Unterstützung des Landes ihre Anstrengungen zum effizienteren Einsatz von Energie. Im Falle eines Embargos würde die Gasverstromung, soweit sie nicht der Wärmeversorgung dient, aus dem Netz genommen und durch andere fossile Energieträger ersetzt. Zudem würde die Bundesnetzagentur energieintensive Unternehmen mit geringeren Gasmengen versorgen müssen.

Wie sind die Gas-Speicher gefüllt, und warum haben wir keine eigenen LNG-Terminals?

Andreas Pinkwart: Die Lage hat sich in den vergangenen Wochen verbessert: Anfang März waren die Speicher bundesweit zu einem Viertel gefüllt, jetzt zu einem Drittel. In NRW waren die Zahlen besser. Die Tendenz ist weiter steigend. Deutschland fehlen – anders als anderen EU-Ländern – LNG-Terminals, weil es gegen die Einfuhr unter anderem von Fracking-Gas aus Übersee viele Vorbehalte gab. Nun wird mit Hochdruck daran gearbeitet, diese Quellen zu erschließen und LNG-Gas auf dem Weltmarkt einzukaufen, um unsere Versorgung zu sichern. Bei optimalem Ausgang könnte Ende des Jahres der erste Terminal in Deutschland in Betrieb gehen.

Was halten Sie von der Idee, dass Deutschland angesichts der Kriegs-Dynamik von sich aus auf russisches Gas verzichtet, um den Druck auf Moskau zu erhöhen?

Andreas Pinkwart: Bei Sanktionen gibt es den guten Grundsatz, dass man sie durchhalten können muss und dass sie den Adressaten härter treffen als einen selbst. Politik und Sozialpartner sind deshalb einig, dass Gas-Sanktionen die Wirtschaft in NRW und deutschlandweit unverhältnismäßig treffen würden. Deshalb sprechen wir uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegen ein Gasembargo aus und unternehmen alles, um die Abhängigkeit vom russischen Gas schnell und nachhaltig zu reduzieren.

Die energieintensive Industrie in NRW ist auf kontinuierliche Gaslieferungen angewiesen, ein Stopp hätte massive wirtschaftliche Auswirkungen zur Folge - von Schäden an Produktionsanlagen, der Unterbrechung von Lieferketten bis hin zum dauerhaften Verlust von Produktionsstandorten und guter Arbeit in NRW und Deutschland.