Düsseldorf/Essen. Nach dem Ende der Testpflicht fordert das Land alle Coronatests von den Schulen zurück. Lehrkräfte finden das „unverantwortlich und absurd“.
Auf großes Unverständnis unter Lehrern, Schulleitern und in der Opposition stößt eine Ankündigung des NRW-Schulministeriums, rund zehn Millionen Antigen-Selbsttests, die sich in den Schulen befinden, wieder einzusammeln. „Es ist unverantwortlich und fast schon absurd, dass vorrätige Tests nicht genutzt werden dürfen“, sagte Sabine Mistler, Vorsitzende des NRW-Philologenverbandes.
„Wenn jetzt ein Kind mit Symptomen in der Klasse sitzt, gibt es für die Schule offiziell keine Möglichkeit mehr, es zu testen“, kritisierte Mistler. Es reiche nicht aus, wenn das Ministerium auf externe Teststellen verweise. Bereits vor Wochen habe der Verband vor dem Ende der Masken- und Testpflicht gewarnt – auch mit Blick auf die Abiturprüfungen.
Tests sollen „fachgerecht“ gelagert werden
In einer Mail informiert das Schulministerium die Schulen darüber, „dass es geplant ist, die überzähligen Antigen-Selbsttests an allen Schulen abzuholen. Die Rückholung wird in den kommenden Wochen beginnen und einige Zeit in Anspruch nehmen.“
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Begründet wird die Rückholaktion der Tests mit der Notwendigkeit, sie fachgerecht zu lagern. Dies solle zentral beim Land erfolgen. Einige Schulen mit „enorm hohen Beständen“ hätten darum gebeten, die zentrale Lagerung durch das Land zu organisieren. Nach dem Ende der anlasslosen Corona-Tests würden in den Schulen „nur in sehr geringem Umfang Tests bei möglichen Verdachtsfällen genutzt“.
Infektionen frühzeitig erkennen
Am Dienstagnachmittag ruderte das Schulministerium in einer Stellungnahme ein Stück zurück: „Sollten Schulen vor Ort die Möglichkeit der Lagerung der Antigen-Schnelltests haben, können die vorhandenen Kapazitäten für einen Einsatz auch in den Schulen weiter vorgehalten werden, sofern die Schulen dies wünschen.“
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Die Bildungsexpertin der Grünen im Landtag, Sigrid Beer, warf NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) vor mit der Entscheidung, die Tests einzusammeln, „FDP-Ideologie“ auf die Rücken von Schülerinnen, Schülern und Lehrkräften zu legen. Zahlreiche Schulen hätten ihre noch vorhandenen Tests genutzt, um eigenverantwortlich für mehr Sicherheit zu sorgen und Infektionen frühzeitig zu erkennen. Der Verweis der Landesregierung auf öffentliche Teststellen sei eine „Verhöhnung“ der Betroffenen.
Unverständnis bei Pädagogen
SPD-Schulexperte Jochen Ott nannte die Anordnung „nicht nachvollziehbar“. Die unverbrauchten Tests könnten freiwillig eingesetzt werden. Mit der Rückruf-Aktion werde das Testregime an Schulen nun vollends rückabgewickelt. „Corona spielt bei dieser Landesregierung keine Rolle mehr“, so Ott.
Angesichts steigender Coronazahlen kritisiert der Verband Bildung und Erziehung (VBE) in NRW den Zeitpunkt der Rückholaktion. „Vielleicht wäre es sinnvoller, noch die kommenden Wochen und die weitere Entwicklung der Pandemie abzuwarten“, sagte NRW-Vorsitzender Stefan Behlau dieser Redaktion. „Jetzt die Tests aufwendig abholen zu lassen, um sie eventuell später wieder ebenso aufwendig an die Schulen zu verteilen, erscheint zumindest fragwürdig.“
Schulleiter für Fortführung der Tests
Auch bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) stieß die Rückholaktion auf Unverständnis. „Die Aktion des Ministeriums ist nicht nachvollziehbar“, sagte Ayla Celik, GEW-Vorsitzende in NRW. „In den Schulen könnten die Tests für anlassbezogene, freiwillige Testungen zur Verfügung stehen und etwa in Fällen von Corona-Ausbrüchen in Klassen für mehr Sicherheit sorgen.“
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Kritisch sehe auch die Schulleiter in NRW die Weisung des Schulministeriums. „Grundsätzlich hätten wir die Fortführung der Testung in der ersten Woche nach den Ferien begrüßt“, sagte Ralf Niebisch, Vize-Vorsitzender der NRW-Schulleitungsvereinigung (SLV). Die Rückholaktion der noch vorhandenen Tests nehme den Schulen die Möglichkeit, bei Infektionsfällen rasch eingreifen zu können. Schon lange seien die Schulen „am Anschlag“, sagt der Gelsenkirchener Schulleiter. Eine Rückholaktion von Tests zu den Sommerferien sei sinnvoller.
Ministerium verweist auf hohe Bestände
„Einige Schulen mit enorm hohen Beständen haben darum gebeten, die fachgerechte zentrale Lagerung der Tests durch das Land zu organisieren“, hieß es aus dem NRW-Schulministerium. Daher sei geplant, ab Ende Mai auch mit Blick auf die Sommerferien ungenutzte Schnelltestkapazitäten zu erfassen, um sie fachgerecht zu lagern, gegebenenfalls auszutauschen und für weitere Einsätze einsatzfähig zu halten.