Düsseldorf. Drei Wochen vor der Landtagswahl eskaliert der Streit zwischen CDU und SPD. Es geht um Russland-Nähe, “Mallorca-Gate“ und Verleumdung.

Drei Wochen vor der Landtagswahl in NRW liefern sich CDU und SPD eine Schlammschlacht und werfen sich gegenseitig eine gefährliche Nähe zum russischen Diktator Wladimir Putin vor.

"Schmutz- und Verleumdungskampagne"

Der Konflikt eskalierte am Wochenende beim Wahlkampfauftakt der CDU NRW in einer Düsseldorfer Mehrzweckhalle und in einem Briefwechsel zwischen CDU-Landtagsfraktionschef Bodo Löttgen und SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty, der dieser Redaktion vorliegt. Löttgen fragt darin nach Verstrickungen der Sozialdemokratie mit dem russischen Regime. Kutschaty spricht von einer „Schmutz- und Verleumdungskampagne“ der Union, vergleichbar mit dem Vorgehen von Nazis und Kommunisten gegen die SPD.

CDU-Bundesvorsitzender Friedrich Merz goss am Samstag beim Start der CDU NRW in die heiße Phase des Wahlkampfes zusammen mit NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) Öl ins Feuer: Nur noch die NRW-SPD unterstütze die über ihre Russland-Kontakte in Erklärungsnöte geratene SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig.

Merz: "Sozialdemokraten sind hemmungslos, rücksichtslos, respektlos"

Über den Ausspäh-Versuch via Instagram eines SPD-Mitarbeiters im Landtag gegen die Tochter der über die „Mallorca-Affäre“ gestürzte Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) sagte Merz: „Das ist ein Muster. So arbeiten die. So sind Sozialdemokraten, wenn es um die politische Macht geht. Hemmungslos, rücksichtslos, ohne jeden Respekt vor dem politischen Gegner“.

In einem Brief an Kutschaty und die SPD-Landtagsfraktion stellt CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen Fragen, die eine Nähe der SPD zu Russlands Staatsführung und russischen Unternehmen suggerieren. Beispiel: „Sind Ihnen Verbindungen von Mitgliedern der SPD-Landtagsfraktion oder der NRW-SPD zu Funktionsträgern des russischen Regimes bekannt?“

Kutschaty erinnert an Verfolgung der SPD durch Nazis und Kommunisten

Thomas Kutschaty wies die Kritik in einem Antwortbrief zurück und unterstellte seinerseits dem früheren NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) eine zahme Haltung gegenüber Putin. „Seit unserer Gründung vor fast 160 Jahren werden solche Kampagnen gegen die Sozialdemokratie geführt, immer mit der gleichen Verleumdung. „Verrat“ rufen seitjeher die Kommunisten, „Vaterlandsverräter!“ seitjeher Konservative, Nationalisten und Nazis“, so Kutschaty.

Der Chef der FDP in NRW, Joachim Stamp, kritisierte am Wochenende auf dem FDP-Bundesparteitag in Berlin den Ton zwischen CDU und SPD.“Es ist beschämend, dass sich unsere politischen Mitbewerber unter dem Stichwort „Mallorca Gate“ eine parteipolitische Schlammschlacht leisten“, sagte der NRW-Vize-Ministerpräsident. Die Liberalen würden sich nicht daran beteiligen. Die Opfer der Flut hätten etwas Anderes verdient: „Dass es nämlich um die Aufarbeitung der Flutkatastrophe geht.“

In einer aktuellen Infratest-Umfrage liegen SPD und CDU in NRW im Moment fast gleichauf.

Die Umweltministerin der CDU stolpert über eine Geburtstagsfeier auf Mallorca. Ein SPD-Mitarbeiter versucht über den Instagram-Account einer Landtagsabgeordneten Kontakt zur minderjährigen Tochter der Ministerin aufzunehmen. Und in beiden großen Parteien liegen drei Wochen vor der Wahl die Nerven blank, weil sie in Umfragen gleichauf liegen. Der Streit eskaliert. Seit diesem Wochenende liefern sich CDU und SPD sogar eine Schlammschlacht. Ein Überblick:

Die Vorgeschichte:

Am 7. April trat NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) zurück. Zuvor wurde bekannt, dass sie im Flut-Sommer 2021 nicht nur länger als zunächst vermutet auf der Baleareninsel blieb, sondern auch mit drei weiteren Regierungsmitgliedern den Geburtstag ihres Mannes feierte, während in NRW Menschen vor den Trümmern ihrer Existenz standen. Für die CDU ist der Rücktritt so kurz vor der Landtagswahl ein Schock. Die SPD will im Landtags-Untersuchungsausschuss „Flut“ weiter Druck auf Heinen-Esser und Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski (CDU) im Zusammenhang mit „Mallorca-Gate“ aufbauen.

Kurz vor der U-Ausschuss-Sitzung wird bekannt, dass im Zuge der „Mallorca-Affäre“ der Ex-Ministerin ein Mitarbeiter der Parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Sarah Philipp, versucht hatte, den Instagram-Account der 16-jährigen Tochter Heinen-Essers auszuspähen. Er hatte vom Instagram-Account Philipps eine Kontaktanfrage an die Jugendliche gerichtet. Philipp entschuldigt sich bei Heinen-Esser und ihrer Tochter. Die Aktion sei „unsensibel und falsch“ gewesen. Heinen-Esser bricht in der Ausschusssitzung in Tränen aus und sagt: „Eine menschliche Grenze wurde überschritten, als über Instagram meine Tochter angegriffen wurde.“

Parallel dazu entwickelt sich auf Bundesebene eine Diskussion über eine zu große Nähe der SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, zur russischen Politik und Wirtschaft. NRW-SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty verteidigt Schwesig. Sie engagiere sich wie keine andere für ihr Land und für die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern. CDU-Chef Friedrich Merz wirft derweil Bundeskanzler Olaf Scholz einen „Zauderkurs“ gegenüber Russland vor.

Die CDU verschärft den Ton:

Am Samstag startete die CDU in NRW in Düsseldorf vor mehr als 1000 Gästen in die heiße Phase des Wahlkampfes. Friedrich Merz sagte zum Thema Ausspähung der Tochter von Ursula Heinen-Esser: „Das ist ein Muster. So arbeiten die. So sind Sozialdemokraten, wenn es um die politische Macht geht. Hemmungslos, rücksichtslos, ohne jeden Respekt vor dem politischen Gegner“. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst spricht von einer „Grenzüberschreitung“ der SPD.

Wüst und Merz unterstellen auch der NRW-SPD ein „Putin- und Russland-Problem“. Merz sagte außerdem in Richtung Schwesig: „Diese rote Sumpf da oben an der Küste müsste ausgetrocknet werden.“

Der Briefwechsel:

CDU-Landtagsfraktionschef Bodo Löttgen schreibt am Wochenende SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty und der SPD-Landtagsfraktion einen Brief mit Fragen, die eine fehlende Distanz der NRW-SPD zu Russland suggerieren. Kutschaty habe sich hinter Schwesig gestellt, die im Verdacht stehe „in enger Abstimmung mit Gazprom die deutsche Öffentlichkeit bewusst getäuscht zu haben“.

Löttgen will wissen, ob die NRW-SPD und die -Landtagsfraktion Beziehungen zu russischen Politikern und Unternehmen habe, ob es gar „finanzielle Verstrickungen zum Putin-Regime“ gebe. Er fragt: „Hat die NRW-SPD in den letzten Jahren Spenden von Gazprom erhalten?“

Löttgen zielt auch auf SPD-Landtagsfraktionsvize Jochen Ott, der auf Twitter die Äußerungen eines Generals begrüßt haben soll, die Politik solle nicht sagen, sie wünsche den Sieg der Ukraine.

Eine frühere Äußerung von Thomas Kutschaty, bei der Beschaffung von Corona-Impfstoff auch einen Bezug des russischen Impfstoffes „Sputnik V.“ in Erwägung zu ziehen, nimmt Löttgen zum Anlass, Kutschaty zu fragen: „Haben Sie sich mit dem Impfstoff Sputnik V. impfen lassen? Werden Sie dies bei der nächsten anstehenden Auffrischungsimpfung tun?“

Die Reaktion der SPD:

Thomas Kutschaty keilt knallhart zurück, spricht von einer „Schmutzkampagne“: „Seit unserer Gründung vor fast 160 Jahren werden solche Kampagnen gegen die Sozialdemokratie geführt, immer mit der gleichen Verleumdung. ,Verrat‘ rufen seit jeher die Kommunisten, ,Vaterlandsverräter!‘ seit jeher Konservative, Nationalisten und Nazis.“

Sozialdemokraten seien im Kaiserreich, von den Nazis und in der DDR geschmäht und verfolgt worden. CDU-Bundeskanzler Konrad Adenauer habe die SPD ausspionieren und sabotieren wollen. „Willy Brandt wurde in den 1960er Jahren von CDU-Vertretern als ,Vaterlandsverräter‘ verleumdet, weil er vor den Nazis fliehen musste, die SPD als ,fünfte Kolonne Moskaus‘ verunglimpft“, so Kutschaty.

„Die NRW-CDU will offenbar wieder an ihre ehrlose Tradition übler Schmutzkampagnen anknüpfen. Ist Ihre Lage so verzweifelt?“, fragt der NRW-SPD-Chef. Und unterstellt seinerseits der CDU NRW und ihrem Ex-Ministerpräsidenten Armin Laschet fehlende Distanz zu Moskau.

Laschet habe die russischen Luftangriffe in Syrien verteidigt und das Attentat des russischen Geheimdienstes auf den Ex-Agenten Skripal und dessen Tochter verharmlost. Kutschaty: „Armin Laschet sprang der russischen Regierung bei, wie es sonst nur Gerhard Schröder, Sarah Wagenknecht oder Gregor Gysi tun.“ Laschet habe auch stets das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 verteidigt, Bodo Löttgen und Hendrik Wüst den russlandfreundlichen Kurs Laschets unterstützt.