Düsseldorf. Bis Montag sind offiziell erst 1200 Ukrainer an Rhein und Ruhr angekommen. Doch die private Hilfsbereitschaft muss koordiniert werden.

Die offiziellen Zahlen wirken noch überschaubar. Seit Beginn des Ukraine-Krieges hat NRW bis Montag rund 1200 Flüchtlinge aufgenommen. Insgesamt stehen 33 Landeseinrichtungen mit über 21.000 Plätzen zur Verfügung, von denen rund 12.000 belegt sind. Doch über das Ausmaß des Leids und die Folgen für Vertriebene macht sich in Düsseldorf niemand Illusionen. Völlig unklar erscheint, wieviele Menschen außerhalb des Behördenwegs bereits privat aufgenommen wurden und auf welche Masse an schutzsuchenden Ukrainern sich die Städte in den nächsten Wochen einzurichten haben.

NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) zeigte sich am Montag stolz auf die bis jetzt spürbare Welle der Hilfsbereitschaft an Rhein und Ruhr: „Putins Terror zielt auch darauf ab, mit der Vertreibung von Millionen Menschen Europa zu destabilisieren. Mit einer weltweiten Solidarität, mit Mitmenschlichkeit und Aufnahmebereitschaft können wir alle uns dem russischen Diktator entgegenstellen.“

Bislang sind Berlin und Brandenburg die Hauptanlaufpunkte

Da Ukrainer zunächst mit einem Touristenvisum in die EU einreisen können und keinen Asylantrag stellen müssen, fällt die Verteilung innerhalb Europas und dann zwischen den Bundesländern nicht leicht. Bislang sind Berlin und Brandenburg die Hauptanlaufpunkte für jene Flüchtlinge, die nicht in unmittelbaren Nachbarstaaten wie Polen die weitere Entwicklung in ihrer Heimat abwarten wollen. „Aufgrund der sehr dynamischen Situation ist es besonders wichtig, dass die Aufnahme und Registrierung von Vertriebenen aus der Ukraine möglichst geordnet abläuft“, mahnte das NRW-Flüchtlingsministerium.

Das private Engagement vieler Bürger sei beeindruckend. Viele können das Leid der Fernsehbilder nicht mehr ertragen und schreiten offenbar selbst zur Tat. Wer Flüchtlinge bei sich zu Hause aufzunehmen wolle, solle dies am besten gegenüber den zuständigen Behörden vor Ort erklären. Bevor man selbst zur Grenze nach Polen fahre und ukrainische Familien unkompliziert nach NRW bringe, die man selbst gar nicht beherbergen könne, solle dies nur nach vorheriger Rücksprache mit der eigenen Kommune tun, warnte das Land.

Nicht einfach mit dem Auto losfahren

Es ist der Versuch, die Hilfen zu koordinieren. Anders als im Flüchtlingssommer 2015 soll alles diesmal möglichst pragmatisch ablaufen: Kriegsflüchtlinge, die sich selbstständig nach Nordrhein-Westfalen durchgeschlagen haben, können sich direkt an die Landeserstaufnahmeeinrichtung in Bochum (LEA) wenden. Wer bereits privat irgendwo untergekommen ist, soll später erst gar nicht mehr in eine ganz andere Kommune zugewiesen werden, „um bereits bestehende persönliche Bindungen zu bewahren und Umverteilungen innerhalb des Landes zu vermeiden“, wie die Landesregierung erklärte.

Der Flüchtlingsrat NRW ist mit dem Vorgehen des Landes in Teilen einverstanden. Insbesondere damit, dass diejenigen, die nach NRW kommen, weil sie bei Verwandten oder Bekannten oder in privaten Zimmern wohnen können, unbürokratisch über die Ausländerbehörde in diesen Kommunen bleiben dürfen. Unzufrieden ist Flüchtlingsrats-Geschäftsführerin Birgit Naujoks mit der Entscheidung, dass Kriegsflüchtlinge, die ohne Anbindung und Unterkunft kommen, zunächst in Landeserstaufnahmeeinrichtungen untergebracht werden sollen. „Dort ist keine richtige Integration – zum Beispiel keine Beschulung der Kinder – möglich“, warnte Naujoks im Gespräch mit dieser Redaktion.

Ist die finanzielle Unterstützung zu gering bemessen?

Naujoks bedauert es auch, dass die Flüchtlinge aus der Ukraine nur Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten und nicht SGB II-Leistungen: „Wenn diese Menschen womöglich für Jahre bleiben, warum sollen sie eine so geringe Unterstützung erhalten? Ihnen bleibt zum Beispiel nur ein Freibetrag von 200 Euro, auch der Zugang zu medizinischen Leistungen ist in den ersten 18 Monaten eingeschränkt.“

„In den Städten und Kreisen des Ruhrgebiets bereiten wir uns auf die Aufnahme und Unterbringung der geflüchteten Menschen vor und haben bereits die ersten Flüchtlinge aufgenommen. Wir sind bereit, den Menschen aus der Ukraine Schutz und Zuflucht zu geben“, versicherte Bochums OB Thomas Eiskirch (SPD) für die Runde der Oberbürgermeister und Landräte des Ruhrgebiets (Kommunalrat). Die Revierstädte verlangten am Montag „Klarheit von Bund und Land über die rechtlichen Rahmenbedingungen der Hilfeleistungen“.