Düsseldorf. „Jede Impfung zählt“, sagen Pharmazeuten. Doch viele Ärzte verstehen das Angebot als Angriff auf ihre Kompetenzen.

Viele Apotheken in NRW bieten jetzt auch Corona-Impfungen an. Sie sehen dies als wichtigen Beitrag, um die Impfquote zu steigern. Ärzte wehren sich gegen diesen Vorstoß.

Warum impfen jetzt auch Apotheker?

Die Devise ist: Wer möchte, dass sich viele Menschen impfen lassen, der muss Impfgelegenheiten bieten.

„Wir wissen aufgrund der Erfahrungen in anderen europäischen Staaten wie auch den Modellprojekten in Deutschland, dass sich bei Grippeschutzimpfungen die Impfquote durch eine Beteiligung der Apotheker relevant steigern lässt“, sagte Thomas Rochell, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe, dieser Redaktion.

Dabei gehe es nicht darum, die Impfungen der Ärzte zu ersetzen. „Erste Auswertungen der Modellprojekte Grippeschutzimpfungen zeigen, dass mit dem Angebot in Apotheken vor allem Menschen erreicht werden, die sich sonst nicht haben impfen lassen. Wir können in den Apotheken vor Ort einen niederschwelligen Zugang für arztferne Kunden bieten, die vielleicht nur selten den Weg in eine Praxis finden, so Rochell. „Und bei den Covid-Impfungen gilt: Jede Spritze zählt. Das sollte das gemeinsame Interesse aller Heilberufler sein.“

Übrigens laufen auch In Zahnarztpraxen Vorbereitungen auf die Corona-Impfung.

Was sagen Mediziner über die impfenden Apotheker?

Viele von ihnen sind entsetzt. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) hatte die Impf-Pläne der Apotheker schon im November missbilligt. „Das Impfen gehört in die Hand des Arztes, nicht in die Apotheken“, meinte KVNO-Vorstand Dr. Frank Bergmann. Ein Arzt sei erforderlich, weil es nach der Impfung in seltenen Fällen zu Nebenwirkungen kommen könne. Apotheker hätten andere Aufgaben.

Der Hausärzteverband Nordrhein erklärte gar, das Impfen in Apotheken sei „Unsinn“. Es gebe weder medizinische noch sachliche Gründe dafür. „Apotheker sind nicht medizinisch ausgebildet“, sagte Verbands-Vorsitzender Dr. Oliver Funken. „Eine fünfstündige Onlineschulung kann in das Thema theoretisch einführen, mehr aber auch nicht.“ Das Impfen gegen Covid-19 sei kein Experimentierfeld für Apotheken. Die komplizierten Impfvorgaben erforderten eine ausführliche und individuelle Beratung der Patienten.

Im Falle eines allergischen Schocks nach der Impfung könne kein Apotheker eine Injektionstherapie verabreichen. Er müsse den Notarzt rufen, das könne zu einer lebensbedrohlichen Zeitverzögerung führen. „Die Bevölkerung darf einem solchen Risiko nicht ausgeliefert werden“, warnt Funken.

Was entgegnen die Apotheker?

Sie sagen, sie hätten die Fachkompetenz in Impfstoff-Fragen. „Durch die Schulungen sind wir zudem bestens vorbereitet, um die Impfungen in hoher Qualität durchzuführen und im äußerst seltenen Fall von Komplikationen schnell handeln zu können“, erklärt Rochell. In jeder Apotheke vor Ort müsse es einen Ersthelfer geben. Wenn es zu einer heftigen Impfreaktion kommen sollte, werde in der Regel auch in der Hausarztpraxis der Notarzt gerufen.

Geht es dabei auch um Geld?

Das sagt niemand, aber natürlich ist das Impfen auch ein Geschäft. Kassenärzte erhalten für eine Impfung 28 Euro, an Wochenenden 36 Euro, sie haben aber auch Unkosten.

Was sagen Apotheker zum Argument, es gebe derzeit keine Nachfrage?

„Wir drängen uns nicht auf“, ist die Botschaft. Wenn die Nachfrage nach Impfungen im Frühjahr wieder steige, sei man vorbereitet.

Ist der Impf-Konflikt zwischen Ärzten und Apothekern neu?

Nein. Seit einiger Zeit beteiligen sich manche Apotheker schon an der Grippeimpfung. Auch dagegen protestieren Mediziner mit dem Argument, das Impfen sei ihre Aufgabe.

Wie viele Apotheken impfen in NRW?

In Westfalen-Lippe dürften jetzt etwa 300 von 1800 Apotheken impfbereit sein. Ziel ist, dass bis Ende März jede zweite Apotheke bei Bedarf ins Impfgeschehen eingreifen könnte. Im Bezirk Nordrhein ist es zum Start etwa jede Vierte. Die Nachfrage nach den Schulungen sei riesig gewesen, heißt es bei der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. An 60 Veranstaltungen hätten in 20 Tagen etwa 900 Apothekerinnen und Apotheker teilgenommen. Derzeit gebe es im westfälischen Raum 1400 Apotheker, die gegen Corona impfen können.

Wie erfahre ich, welche Apotheken impfen?

Ab Dienstag können sich alle Apotheken, die gegen Covid-19 impfen, im Portal www.mein-apothekenmanager.de registrieren lassen. Das werden aber nicht gleich alle tun. Sebastian Sokolowski, Sprecher der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, geht davon aus, dass viele Apotheker über Social-Media-Kanäle und über Plakate auf das Angebot aufmerksam machen. Da es sich bei Apotheken um „Versorgung in Pantoffelnähe“ handele, spreche es sich schnell in der Nachbarschaft herum, wer impft und wer nicht.