Düsseldorf. Grippeimpfstoff ist mancherorts derzeit knapp. Hausärzte machen Apotheker dafür verantwortlich - weil einige in einem Pilotprojekt selbst impfen.

Der Hausärzteverband Nordrhein beklagt Lieferengpässe bei den Grippe-Impfstoffen. Schuld daran seien die Apotheken, glauben die Hausärzte.

Die Apotheken sorgen „durch eigene Impfangebote für eine künstliche Verknappung des Impfstoffes und behindern die Impfungen in den Arztpraxen“, kritisierte Oliver Funken, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Nordrhein, am Freitag in einer Mitteilung. Impfen sei „eine originäre ärztliche Aufgabe“, erklärt Funken. Tatsächlich würden Hausärzte in der Ausübung dieser Tätigkeit behindert, denn „leider kommen aktuell die bestellten Mengen (an Impfstoff) nicht überall vollständig an.“

Apothekerverband: „Wir halten keine Impfstoffe zurück“

Apotheker weisen die Kritik zurück: „Die Apotheken halten keine Impfstoffe zurück“, sagt Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein. Es gebe derzeit vereinzelt Lieferengpässe, „die sind aber beim Beginn einer Grippesaison normal“, erklärt Preis. Die Grippe-Saison beginnt mit der 40. Kalenderwoche eines Jahres und endet zwischen der 15. und 20. Kalenderwoche des Folge-Jahres.

Die Kritik der Ärzte ist nicht neu, denn seit Jüngstem führen auch einige Apotheken selbst Grippeimpfungen durch. In der vergangenen Grippesaison 2020/21 hatten erste Apotheken in NRW in einem Pilotprojekt auch Grippeimpfungen übernommen. Im Rheinland ging das in 100 der insgesamt etwa 2400 Apotheken. Es wurden laut Apothekerverband insgesamt 500 Personen geimpft - ausschließlich AOK-Versicherte. Das Pilotprojekt läuft nur mit dieser Krankenkasse.

Pilotprojekt Grippe-Impfung in 500 Apotheken im Rheinland

Laut Verband ist das Pilotprojekt jetzt ausgeweitet, NRW-weit sollen es 700 Apotheken sein, davon im Rheinland 500. Man rechne mit 5000 bis 10.000 Grippeimpfungen in dieser Saison. Als Konkurrenz zur Ärzteschaft sieht man sich bei den Apotheken aber nicht, sagt Thomas Preis: „Insgesamt rechnen wir mit zwei Millionen Grippeschutz-Impfungen alleine im Rheinland“ - weit überwiegend also in Arztpraxen.

Laut dem Hausärzteverband würden die Apotheken derzeit aber auch auf Impfstoff zugreifen, der für die Arztpraxen vorgesehen sei. „Die Apotheken sollen die Versorgung mit Impfstoffen und Medikamenten 24 Stunden an sieben Tagen flächendeckend sicherstellen. Das ist ihre Kernaufgabe. Und das gilt auch für die Auslieferung der Grippeimpfstoffe an die Arztpraxen“, kritisiert Verbands-Chef Funken. Auch diese Kritik weist Preis zurück: „Kein Apotheker zieht aus einer für einen Arzt zugeteilten Bestellung Impfstoffe für den eigenen Impfbedarf heraus.“

Grippeschutz: Bund plant mit 27 Millionen Impfdosen insgesamt

Insgesamt sind für die aktuelle Grippe-Saison bundesweit 27 Millionen Impfdosen vorgesehen, das wäre eine Million Impfdosen mehr als in der vergangenen Saison. Bis zum zum 10. Oktober hatte das Paul-Ehrlich-Institut bereits rund 25 Millionen Impfstoffdosen nach erfolgreicher Chargenprüfung freigegeben, teilt das Bundesgesundheitsministerium mit.

Die Nachfrage war im vergangenen Jahr stark gewachsen, zumal nicht nur Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) damals für die Impfung warb. Angesichts der Corona-Pandemie sollte das Gesundheitssystem nicht auch zusätzlich durch schwer Grippekranke geschwächt werden.

Tatsächlich wurden zwischen Oktober und Dezember 2020 im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein 35 Prozent mehr Grippeschutzimpfungen registriert, als im gleichen Zeitraum 2019. Für dieses Jahr wird damit gerechnet, dass das Interesse erneut um etwa den gleichen Faktor wächst. „Wir rufen zur Grippeschutzimpfung auf, damit sich insbesondere Menschen ab 60 Jahren, Schwangere und Menschen mit chronischen Erkrankungen schützen“, heißt es beim Bundesgesundheitsministerium.

Nach wie vor viele Impf-“Muffel“

Nach wie vor aber gibt es viele, die laut Ständiger Impfkommission (Stiko) zu den Risikogruppen zählen, sich aber nicht gegen Grippe impfen lassen: In der Grippesaison 2018/19 hatten sich laut Gesundheitsministerium NRW nur 35 Prozent bei den über 60-Jährigen, und 20 bis 50 Prozent bei den chronisch Kranken gegen Grippe impfen lassen. Im Jahr darauf dürften es etwas mehr gewesen sein, genauere Zahlen finden sich bisher nicht.

Die Apotheker versichern, „es wird genug Impfstoff geben.“ Spätestens zum Ende der erste Novemberwoche seien alle Bestellungen abgearbeitet, sagt Thomas Preis. Am Ende der Saison dürften ohnehin wieder viele Impfdosen übrig bleiben, glaubt man beim Apothekerverband Nordrhein. Anfang Februar 2020 beklagte der Verband, alleine im Rheinland seien unverbrauchte 100.000 Impfdosen in den Apotheken vom Verfall bedroht. „Auch im Februar lohnt es sich noch, sich gegen Grippe zu schützen“, sagte damals Thomas Preis, denn die Grippezeit dauert bis in den April. Er geht davon aus, „auch in dieser Saison bleibt am Ende Impfstoff übrig.“