Düsseldorf. Die Sicherheitsbehörden sehen mit Sorge, dass Mediziner Zielscheibe von Impfgegnern werden – vereinzelt aber auch die Seite wechseln.
Im Zusammenhang mit Protesten gegen Corona-Maßnahmen werden in Nordrhein-Westfalen immer häufiger Ärzte zur Zielscheibe von radikalen Querdenkern. „Neu ist, dass jetzt auch Ärzte zum Feindbild stigmatisiert werden“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Freitag.
Ähnlich wie Politiker, Wissenschaftler oder Journalisten würden verstärkt auch niedergelassene Mediziner bedrängt und bedroht. Reul nannte beispielhaft den Fall eines Arztes aus Oberhausen, der einen in Buttersäure getränkten Brief von Verschwörungstheoretikern im Postkasten hatte. „Wegen des Gestanks musste die Praxis mehrere Tage geschlossen bleiben“, so der Minister.
Kinderarzt erhält Drohbrief mit hautreizender Substanz
Ein Kinderarzt in Rheinbach habe einen Drohbrief erhalten, der mit einer hautreizenden Substanz versehen war. „Wenn Ärzte eingeschüchtert werden, dann ist das für die Querdenker-Szene sehr bedeutsam und für uns ein Thema, um das wir uns kümmern müssen“, sagte Reul. „Das Feindbild Arzt ist für uns auch deshalb ein wichtiges Thema, weil Feindbilder Auslöser für Radikalisierung sind.“
Man habe bislang „viele Einzelfälle festgestellt“ und arbeite jetzt mit dem Gesundheitsministerium an einem landesweiten Überblick, wieviele Mediziner Opfer der Querdenker-Szene seien und wieviele man derselben zurechnen müsse, erklärte Verfassungsschutz-Chef Burkhard Freier.
Es gibt auch Ärzte in der Querdenker-Szene
Immer wieder waren zuletzt auch Ärzte ins Visier der Verfassungsschützer geraten, die sich auf die Seite der Corona-Leugner geschlagen haben. In Köln sei etwa der Flyer eines Vereins namens „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie“ sichergestellt worden, berichtete Reul. Darin werde behauptet, mit der 2G-Regel würde „Menschenjagd auf Ungeimpfte“ gemacht. „Diese Entwicklung erfüllt uns mit Sorge“, so der Minister. Ärzte seien immer Multiplikatoren, die hohe Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung genössen und deshalb mit falschen Aussagen viele Menschen erreichen könnten.
In NRW gab es nach Angaben des Innenministeriums allein zwischen dem 11. und 17. Januar wieder 314 Corona-Proteste mit insgesamt 55.000 Teilnehmern. Es seien mehr Menschen mitgelaufen als angemeldet waren. Darunter viele Personen, die der Verfassungsschutz noch nicht klar einordnen kann. Durch Corona verschwimmen offenbar immer stärker Ideologien und Szenen. Extremisten strebten heute in die Mitte der Gesellschaft, seien gut ausgebildet und mobilisierten stark über digitale Netzwerke, warnte Freier. „Gleichzeitig ist die Empfangsbereitschaft vieler Menschen, diesen Extremismus nicht mehr ganz zu verteufeln, größer geworden.“