Düsseldorf. Militanzverbot, Gegen-Demos, Kontrollen - CDU und FDP haben ihr Versammlungsrecht überarbeitet. Reicht das, um Kritiker zu besänftigen?

Am Mittwoch ist vor dem Düsseldorfer Landtag schon wieder die nächste Demonstration gegen das umstrittene neue Versammlungsgesetz angekündigt. Wenn es nach NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) geht, müsste diese Protestwelle eigentlich sehr bald abebben. Nach monatelanger Diskussion hat die schwarz-gelbe Koalition am Montag zahlreiche Änderungen an ihrem Entwurf vorgestellt. Reicht das?

„Was in dem Gesetz steht, das sind Regeln, die friedliche Versammlungen schützen und ihre Durchführung ermöglichen. Es handelt sich bei unserem Entwurf selbstverständlich um ein Freiheitsgesetz für Versammlungen“, betonte Reul. Das sehen jedoch längst nicht alle so. SPD-Rechtsexperte Sven Wolf sprach von „kosmetischen Korrekturen“ und kritisierte, dass es im Kern ein Gesetz bleibe, „um Versammlungen zu verhindern und Verstöße dagegen als Straftat zu verfolgen“.

Seit 2006 sind die Länder fürs Versammlungsrecht zuständig

Seit der Föderalismusreform 2006 liegt die Zuständigkeit für das Versammlungsrecht bei den Ländern. NRW hatte sich bislang aber kein eigenes Gesetz gegeben, das bei Demonstrationen Eingriffs- und Überwachungsrechte der Polizei klar definiert. Deshalb gilt es als unstrittig, dass Reul vor fast einem Jahr überhaupt aktiv geworden ist und einen Vorschlag für mehr Rechtsklarheit gemacht hat. Das Echo fiel bei Experten, potenziell Betroffenen und Bürgerrechtlern jedoch ziemlich verheerend aus.

Vor allem vier zentrale Punkte, die jetzt entschärft werden sollen, brachten der schwarz-gelben Landesregierung viel Kritik ein. Es sollte etwa ein „Militanzverbot“ eingeführt werden, um Aufmärsche uniformierter Gruppen beenden zu können. Was wohl auf den gewalttätigen „schwarzen Block“ bei Großdemos gemünzt war, rief auch bei Fußballfans und Gewerkschaften Proteste hervor. Groß war die Sorge, dass die Polizei künftig Kundgebungen oder Ansammlungen schon dann auflösen kann, wenn sich die Teilnehmer einheitlich kleiden.

Aus Militanzverbot wird Gewalt und Einschüchterungsverbot

Jetzt wurde das „Militanzverbot“ in ein „Gewalt- und Einschüchterungsverbot“ umgewandelt. Mit dem „falschen Begriff“ seien falsche Reaktionen in der Öffentlichkeit ausgelöst worden, räumte CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen ein. Nun ist klargestellt: Die Klimabewegung darf zum Beispiel in einheitlichen Maleranzügen demonstrieren und muss nur dann ein Einschreiten der Polizei fürchten, wenn sie sich gewaltbereit und einschüchternd verhält.

Abgeschwächt wird auch das umstrittene „Störungsverbot“, das Regeln für Gegenproteste aufstellen soll. Gegen Aufmärsche darf künftig weiter demonstriert werden, so lange nicht die ursprünglich angemeldete Versammlung komplett unmöglich gemacht wird – etwa durch Sirenen. „Wir wollen Gegendemos nicht erschweren, die gehören dazu“, sagte FDP-Fraktionschef Christof Rasche.

Die Koalition musste sich ebenso bei der Überwachung und Registrierung von Demonstranten bewegen: Anlasslose Kontrollstellen bei Kundgebungen, an denen die Polizei die Personalien feststellt, soll es jetzt doch nicht geben. „Wenn Waffen oder Ähnliches getragen wird, wird die Identität festgestellt“, erklärte Rasche.

FDP hatte vor der Änderung Druck aufgebaut

Auch bei Bild- und Tonaufnahmen sei ein „klarer rechtstaatlicher Rahmen“ geschaffen worden, so der FDP-Fraktionsvorsitzende, „damit keiner machen kann, was er will“. Für Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer bleibt es dennoch ein „extrem sensibler Punkt“, dass die Polizei künftig relativ leicht mit Drohnen Aufnahmen von Demonstranten zur späteren Strafverfolgung anfertigen kann. Dies habe eine klar „abschreckende Wirkung“.

Rasche erklärte, dass das Gesetz „die Handschrift von CDU und FDP und von Innenminister Herbert Reul“ trage. Doch um gewöhnliche Änderungsanträge handelte es sich bei der Entschärfung wohl kaum. Zunächst hatte sich Schwarz-Gelb beim Versammlungsrecht ziemlich unbeirrt gezeigt. Erst als im Juni, mitten im Bundestagswahlkampf, eine Großdemonstration in Düsseldorf gegen das Gesetz aus dem Ruder lief, besannen sich vor allem die Liberalen auf ihre Tradition als Bürgerrechts-Partei.

FDP-Landeschef Joachim Stamp machte eine Überarbeitung sogar indirekt zur Vorbedingung für die Wahl von Laschet-Nachfolger Hendrik Wüst ins Ministerpräsidenten-Amt. Reul nahm es am Montag professionell: „Es schadet nichts, wenn man guten Argumenten zugänglich ist.“