Bochum. Neues Bochumer Internet-Institut will erkunden, wie Bürgerbeteiligung, Debatte und Demokratie durch die Digitalisierung gefördert werden können.

Mit Streit und kontroversen Debatten verdienen Soziale Medien wie Facebook Milliarden. So erzeugt der Internetkonzern Aufmerksamkeit und Reichweite, um noch mehr Anzeigen zu verkaufen. „Soziale Plattformen spielen eine zentrale Rolle für die gesellschaftliche Kommunikation. Dabei wird aber oft vergessen, dass wir uns von privaten Unternehmen abhängig machen, deren Ziel es ist, Profite zu erwirtschaften“, sagt Prof. Christoph Bieber, Forschungsprofessor am Institut für Digitalisierungsforschung (CAIS - Center for Advanced Internet Studies) in Bochum. Doch es geht auch anders, meint er.

„Man könnte Algorithmen schaffen, die andere Dinge fördern. Die die Menschen aus ihrer Nachrichtenblase holen und werteorientierte Inhalte anbieten“, sagt der Politikwissenschaftler. Einen Algorithmus also, der dem Anspruch einer öffentlich-rechtlichen Medienversorgung folgt und nicht Hass und Streit fördert, um Gewinne zu erzielen. „Das wäre eine digitale demokratische Innovation.“

Den Menschen eine Stimme geben

Die Digitalisierung wird zuletzt häufig als mögliche Gefahr für eine demokratische Diskussion betrachtet. Die CAIS-Forscher wollen die Perspektive umdrehen: Wie verändert sich die Demokratie in einer digitalen Gesellschaft und wie kann man sie durch Digitalisierung fördern, etwa durch eine direkte Beteiligung der Menschen an politischen Entscheidungsprozessen? „Wir sehen derzeit, dass digitale Instrumente Menschen eine Stimme geben können, die sonst nicht gehört werden. Unter welchen Bedingungen digitale Innovationen das Gemeinwohl in demokratischen Prozessen stärken können, das ist unser Fokus“, erläutert Bieber, der das neue, auf fünf Jahre angelegte CAIS-Forschungsprogramm leitet.

Christoph Bieber, Forschungsprofessor am Center for Advanced Internet Studies (CAIS) in Bochum.
Christoph Bieber, Forschungsprofessor am Center for Advanced Internet Studies (CAIS) in Bochum. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Ganz konkret soll es dabei um zwei Themenkomplexe gehen: Wahlen und Abstimmungen sowie das Thema „Smart City“. Wie können Bürger an digitalen Abstimmungen teilnehmen, wie müssen sie organisiert sein und welche Standards sollen dafür gelten? Ein Problem dabei: niemand darf von solchen Entscheidungsprozessen aus technischen Gründen ausgeschlossen werden.

Auf dem Weg zur „Smart City“

Mit „Smart City“ meinen die Forscher eine Stadt, in der viele Verwaltungsvorgänge digitalisiert ablaufen und wo auf Basis zahlloser Daten Entscheidungen getroffen werden, etwa über den Bau neuer Straßen, Quartiere oder Schulen. „Nötig sind dafür riesige Datenmengen“, so Bieber. Wie bewegen sich die Menschen in einer Stadt, welche Verkehrsmittel nutzen sie, wie und wo leben sie, wie viel Energie verbrauchen sie - und so fort.

„Jede Smart City ist daher auch eine überwachte Stadt. Das ist ein großes Konfliktfeld, das politisch gelöst werden muss.“ In einer Zeit, in der viele Städte immer mehr Daten sammeln, um Entscheidungen vorzubereiten, müssten solche Frage bald beantwortet werden.

Am Ende sollen die Forschungsergebnisse in verschiedenen Bereichen praktisch erprobt und umgesetzt werden. „Wir streben dabei von Anfang an die Zusammenarbeit zum Beispiel mit den Smart-City-Verantwortlichen aus Bochum, Gelsenkirchen und weiteren Städten im Ruhrgebiet an“, so Bieber. Damit Digitalisierung nicht als Bedrohung, sondern auch als demokratische Chance erkennbar wird.

Das Internet-Institut

Das CAIS (Center for Advanced Internet Studies) in Bochum wurde 2017 gegründet als neues Forschungsinstitut, das die Digitalisierung aus der Perspektive der Sozial- und Politikwissenschaft betrachtet. Es gibt Gastwissenschaftlern aus vielen Ländern die Möglichkeit, ihre Projekte in Bochum zu verfolgen. Das Land finanziert das Institut mit zunächst 2,1 Millionen Euro im Jahr und ab 2024 mit jährlich sechs Millionen Euro.

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Bis zum Endausbau soll das CAIS zu einem Institut mit sieben Professuren, vier Forschungsprogrammen und über 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wachsen. Die Themen lauten: Wie verändern digitale Innovationen die Demokratie? Welche Rolle spielt zukünftig Künstliche Intelligenz in der Bildung? Wie kann die Digitalisierung dazu beitragen, den Klimawandel zu bekämpfen? Und: Wie kann Künstliche Intelligenz für das Gemeinwohl eingesetzt werden?