Düsseldorf. Die Opposition spricht von einem „Organisationschaos“ und überlasteten Verwaltungen. Die Regierung hält das für ein „Zerrbild“.
Läuft es gut in NRW mit der versprochenen Hilfe für Hochwasser-Geschädigte oder leiden die Betroffenen unter einem vom Land NRW verursachten Organisationschaos? Die Opposition warf der Regierung am Donnerstag in einer Aktuellen Stunde im Landtag vor, die Probleme zu kaschieren und die Lage zu beschönigen. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) wehrte sich: „Wir können keine Wunder vollbringen.“
Wie hilft NRW den Hochwasser-Geschädigten?
Für Privatleute, Unternehmer und weitere Geschädigte aus NRW stehen vorläufig 12,3 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds von Bund und Ländern bereit. Bürger, deren Haus oder Wohnung beschädigt wurde, können auf Förderung in Höhe von 80 bis 100 Prozent des Schadens rechnen. Es gibt auch Pauschalen für Schäden am Hausrat. Das Land erwartet bis zu 100.000 Anträge von Privatleuten. Bisher seien 4500 Anträge „im System“, sagte NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) am Donnerstag im Landtag.
Welche Probleme gibt es bei der Hilfe?
Laut der SPD-Opposition gibt es erstens Probleme, weil die für die Antragsbearbeitung und Beratung zuständigen Behörden in den Kommunen und in den Bezirksregierungen nicht über genügend Personal verfügten. Vor wenigen Tagen hatte ein Abteilungsleiter der Bezirksregierung Köln frustriert gekündigt, weil sein Team schlicht mit den Corona- und Fluthilfen überfordert sei. Es sei "faktisch unmöglich, die anstehenden Aufgaben mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen zu bewältigen", schrieb der Mann in einem Brief an NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Seine Kollegen würden "ausgebeutet".
SPD-Fraktionsvize Christian Dahm griff genau diesen Vorwurf der „Ausbeutung“ auf: Gerade in den Bezirksregierungen „knirsche“ es gewaltig. Die dort Beschäftigten müssten immer neue Aufgaben erledigen, das Land lasse diese Menschen im Stich. NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) streute am Donnerstag im Landtag Zweifel an der Eignung des Abteilungsleiters: „Manchmal passen auch Personen nicht zur Aufgabe.“
Die Gewerkschaft Verdi sprach in diesem Zusammenhang von einer „untragbaren Belastung“ in den Bezirksregierungen. Fast jede zehnte Stelle sei dort unbesetzt. Die verbleibenden Beschäftigten schieben laut Verdi rund 270 000 Überstunden vor sich her.
Der zweite Vorwurf der Opposition ist, dass viele Flut-Geschädigte mit dem am 17. September gestarteten Online-Antragsverfahren nicht zurechtkämen. Es sei viele zu kompliziert und mit technischen Problemen behaftet. Nach 90 Minuten würde die Eingabe von Daten oftmals einfach abgebrochen, und die Antragsteller müssten von vorne beginnen, sagte Stefan Kämmerling (SPD). Die Anleitung für das Ausfüllen sei 43 Seiten lang und in unverständlicher Bürokratensprache verfasst. Zum Teil gebe es in den von der Flut getroffenen Regionen noch kein Internet, und manche Antragsteller verfügten nicht über eine für den Antrag notwendige Mailadresse. „Da legen dann Mitarbeiter einer Kreisverwaltung im Info-Bus eine GMX-Adresse für eine 90-Jährige an“, so Kämmerling.
Was entgegnet die Landesregierung?
Innenminister Reul räumte ein, dass die Bezirksregierungen tatsächlich sehr durch die Corona- und die Wiederaufbauhilfe belastet seien. Die Mitarbeiter dort machten aber einen „guten Job“, und die Personalausstattung stamme noch aus der Zeit der rot-grünen Landesregierung. Es würden hunderte Stellen neu geschaffen, für die aber oftmals keine Bewerber gefunden werden könnten. „Wir können keine Wunder vollbringen“, sagte Reul. „Die Probleme sind da. Stück für Stück wird die Bezirksregierung besser ausgestattet.“
Kommunalministerin Scharrenbach sagte in Richtung SPD: „Sie zeigen ein Zerrbild mit dem Fokus auf das Negative.“ Die SPD stelle negative Einzelfälle als Regelfall dar. Das Land helfe den Betroffenen auf allen Wegen und setze dabei, wie Rheinland-Pfalz auf ein Online-Antragsverfahren. Die Landesregierung schicke zusätzliches Personal in die betroffenen Kommunen, damit die Hochwasser-Geschädigten eine Vor-Ort Beratung erhalten und habe eine Info-Hotline eingerichtet: 0211 / 4684-4994 (Bürgertelefon Fluthilfe).
Wie geht es weiter?
Am heutigen Freitag konstituiert sich im Landtag ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung der Hochwasserkatastrophe in NRW. In den kommenden Monaten wird darin das Handeln der Landesregierung und der Landesbehörden im Zusammenhang mit der Katastrophe Mitte Juli beleuchtet. Auch Ministerinnen und Minister müssen dort gegebenenfalls Rede und Antwort stehen. Die SPD schickt übrigens ihren früheren Innenminister Ralf Jäger als Mitglied in den U-Ausschuss.