Essen. Der Streit um ein Ende der Maskenpflicht an Schulen läuft weiter. Kinderärzte sehen Chancen für Lockerungen, Virologen reagieren skeptisch.
- Der Streit um den Verzicht auf die Maskenpflicht an den Schulen in NRW läuft weiter.
- Der Essener Virologen Ulf Dittmer findet deutliche Worte: „Noch vor den Ferien zu entscheiden, die Maskenpflicht an Schulen aufzuheben, grenzt für mich an Dummheit“.
- Auch der Philologenverband warnt vor übereilten Schritten bei der Aufhebung der Maskenpflicht an Schulen in NRW.
Mit großem Unverständnis hat der Essener Virologe Ulf Dittmer auf die Pläne der Landesregierung reagiert, nach den Herbstferien auf die Maskenpflicht an Schulen zu verzichten. „Wir kennen die Situation nach den Ferien. Wir wissen dass es nach Urlaubsreisen einen erheblichen Eintrag des Virus gegeben hat, der immer auch Schulen und Kitas getroffen hat“, sagt der Direktor des Virologischen Instituts der Uni-Klinik Essen unserer Redaktion. „Noch vor den Ferien zu entscheiden, die Maskenpflicht an Schulen aufzuheben, grenzt für mich an Dummheit“, so Dittmer.
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Der Philologenverband warnt vor übereilten Schritten. Es dürfe keine „Experimente kurz vor und nach den Herbstferien geben, wie etwa durch den Fall der Maskenpflicht“, forderte die Vorsitzende des Lehrerverbands für die Gymnasien, Sabine Mistler. In den ersten rund zwei Wochen nach den Ferien brauche es weiter eine Maskenpflicht im Unterricht, betonte Mistler.
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Auch Prof. Carsten Watzl, Epidemiologe an der TU Dortmund, sieht eine Aufhebung der Maskenpflicht kritisch. „Wenn jetzt auf die Masken verzichtet werden soll, dann wird das mehr Infektionen zur Folge haben“, sagt Watzl.
NRW-Schulen Masken: Schüler haben sich daran gewöhnt
Über die Aufhebung der Maskenpflicht wird seit Tagen heftig gestritten. Zuletzt hatte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, für eine Aufhebung der Maskenpflicht an Schulen plädiert. Die Lockerung der Pflicht in Berlin und Bayern ab diesem Montag setzt die NRW-Landesregierung nun weiter unter Druck. In Düsseldorf soll eine Entscheidung in Kürze fallen.
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Den halben Tag lang tragen sie Maske, meist ohne zu murren - und das seit über einem Jahr. „Am Anfang war es schlimm, vor allem im Sportunterricht“, sagt der 19-jährige Essener Oberstufenschüler Dustin Dorn. „Doch jetzt haben wir uns fast daran gewöhnt. Es ist ja auch sicherer – für uns und auch für andere“, meint der Gesamtschüler.
NRW-Schulen Masken:Landesregierung entscheidet über Pflicht
Ob er und alle knapp zwei Millionen Schülerinnen und Schüler nach den Herbstferien die Maske in der Schule endlich absetzen dürfen, ist derzeit noch offen. Die Landesregierung berät darüber am heutigen Dienstag mit allen beteiligten Akteuren und Verbänden. „Anschließend wird das Schulministerium umgehend die Schulen und Schulträger über die geplanten Regelungen für den Schul- und Unterrichtsbetrieb nach den Herbstferien informieren“, teilt das NRW-Schulministerium auf Nachfrage mit.
Für Prof. Ulf Dittmer, Virologe am Uni-Klinikum Essen, kommt die Debatte zur Unzeit. „Ich kann die Diskussion, die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nach den Herbstferien zu beenden, nicht verstehen“, sagt Dittmer dieser Redaktion. Man sollte nach den Ferien mindestens zwei bis drei Wochen die Maskenpflicht beibehalten und beobachten, wie sich das Infektionsgeschehen entwickelt, so der Virologe.
Virologe: Die Infektionszahlen werden steigen
„Wenn wir den Mund-Nasen-Schutz weglassen, werden wieder mehr Personen in Quarantäne müssen“, mahnt Dittmer. Das müsse vermieden werden, denn es sei nach den Erfahrungen des Lockdowns bekannt, dass Kinder gesundheitlich darunter oftmals sehr zu leiden hatten. „Das hat im Nachhinein oft zu größeren Problemen geführt als eine Covid-Infektion selbst – angefangen von Übergewicht bis hin zu psychischen Problemen.“
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Auch Prof. Carsten Watzl, Epidemiologe an der TU Dortmund, sieht ein Ende der Maskenpflicht kritisch. Da Kinder unter zwölf Jahren keine Möglichkeit haben, sich durch eine Impfung zu schützen, „sehe ich es kritisch, dass man jetzt durch den Wegfall der Maskenpflicht höhere Infektionszahlen bei den Kindern in Kauf nehmen will“, so Watzl.
Geimpfte Erwachsene als bester Schutz für Kinder
Zwar sieht der Kinderarzt Axel Gerschlauer das höhere Infektionsrisiko an Schulen, wenn die Masken fallen. Dennoch plädiert der Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte Nordrhein für eine Lockerung der Maskenpflicht. „Jetzt ist es Zeit, dieses Risiko einzugehen, denn wir wissen, dass die Hauptrisikogruppen bereits geimpft sind“, sagt Gerschlauer. „Es kann nicht sein, dass Kinder in die Pflicht genommen werden, um die Erwachsenen zu schützen.“ Umgekehrt werde ein Schuh daraus: „Der beste Schutz für ungeimpfte Kinder sind geimpfte Erwachsene.“
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Unterstützung bekommt der Kinderarzt von Prof. Ralph Brinks, Epidemiologe an der Uni Witten/Herdecke. Zwar befürchtet er, dass die Infektionszahlen in den kommenden Wochen wieder steigen werden. „Grundsätzlich schätze ich die epidemische Lage aber weit weniger dramatisch ein als vor einem Jahr, als wir keine Impfungen hatten.“
Politik: Entscheidung bis nach den Ferien vertagen
Auch in der Landespolitik ist eine Lockerung der Maskenpflicht an Schulen umstritten. Vor allem durch die Reiserückkehrer nach den Herbstferien sei die Lage schwer kalkulierbar, gibt Jochen Ott, schulpolitischer Sprecher der SPD, zu bedenken. Mit einer Entscheidung sollte daher mindestens bis nach den Herbstferien gewartet werden, so Ott. Er plädiert dafür, „ein Ende der Maskenpflicht erst dann zu diskutieren, wenn wir das Infektionsgeschehen richtig einschätzen können.“ Und das sei derzeit nicht der Fall.
Ähnlich argumentiert Sigrid Beer von den Grünen im Landtag. Ein Ende der Maskenpflicht bereits nach den Herbstferien wäre angesichts der unsicheren Entwicklung der Infektionslage bei jungen Menschen „leichtsinnig und auch verfrüht, da die Folgen der Urlaubsreisen noch nicht einzuschätzen sind“, sagt die bildungspolitische Sprecherin.
Nach den Ferien könne man erneut über die Maskenpflicht diskutieren, meint auch Virologe Ulf Dittmer: „Wir behandeln derzeit nur wenige Kinder mit Covid-19 stationär in der Klinik – und das ist gut so.“