Düsseldorf. Ein Jahr nach dem Skandal mit Nazi-Hetze in privaten Polizei-Chatgruppen liegt nun die Gegenstrategie des Innenministeriums vor.

Knapp ein Jahr nach Entdeckung rechtsextremer Chatgruppen in der NRW-Polizei hat Innenminister Herbert Reul (CDU) umfassende Änderungen in Ausbildung, Beförderungspraxis und Behördenalltag angekündigt.

„Wir wollen die demokratischen Abwehrkräfte in der nordrhein-westfälischen Polizei stärken“, sagte Reul am Donnerstag bei der Vorstellung eines zweibändigen Abschlussberichts mit knapp 300 Seiten der Stabsstelle „Rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei NRW“. Es gebe nach der umfassenden Analyse zwar „keine rechtsextremistischen Netzwerke“ unter den knapp 50.000 Ordnungshütern im Land, wohl aber die Notwendigkeit, die Werteorientierung im Polizeialltag zu verbessern, so Reul.

Mehr als 500 Polizei-Beschäftigte wurden befragt

Unter Leitung des früheren Verfassungsschutz-Vize Uwe Reichel-Offermann hatte die Stabsstelle mehr als 500 Beschäftigte aus 16 Präsidien befragt, externen Sachverstand eingeholt und Polizei-Kritiker zu Wort kommen lassen. Man sei in den Amtsstuben allen Erscheinungsformen „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ nachgegangen, erklärte Reichel-Offermann.

Im Abschlussbericht werden 18 Handlungsempfehlungen gegeben. Damit soll verhindert werden, dass Beamte über viele Dienstjahre und Frustrationserfahrungen anfällig werden für rechtsextremes Gedankengut. „Wir plädieren dafür, von der Einstellung bis zur Pensionierung ein systematisches Wertemanagement zu etablieren“, sagte Reichel-Offermann.

Psychosoziale Fachkräfte sollen als Vertrauenspersonen dienen

Konkret sollen möglichst flächendeckend psychosoziale Fachkräfte eingestellt werden, an die sich Polizisten bei Fehlentwicklungen vertraulich wenden können, ohne damit gleich ein Strafverfahren gegen einen Kollegen in Gang zu setzen. Es gibt offenbar bei der Polizei einen starken Korpsgeist, der eine Fehlerkultur erschwert. Beförderungen sollen künftig stärker an Qualifizierungsmaßnahmen in Werte- und Verhaltensfragen gekoppelt werden. Schon in der Ausbildung könnten demokratische, ethische und interkulturelle Kompetenz schon bald einen höheren Stellenwert bekommen.

Reichel-Offermann machte deutlich, dass man auch künftig nicht jedes Wort im Polizeialltag auf die Goldwaage legen wolle: „Es geht nicht um sprachliche Feinheiten, aber um Grundsätze des Anstands.“ Die angemessene Kommunikation intern und gegenüber den Bürgern sei ein ebenso bedeutsames Einsatzmittel wie Waffe und Taser: „Die Mehrzahl der Einsätze wird kommunikativ gelöst.“

Ausgangspunkt des Skandals war eine Dienstgruppe in Mülheim

Innenminister Reul machte sich den Abschlussbericht weitgehend zu eigen und kündigte den Beginn der Umsetzung ab 2022 an. Auslöser waren 2020 mehrere Hundert rechtsextreme Verdachtsfälle in der NRW-Polizei. Vor allem eine Dienstgruppe in Mülheim hatte in privaten Chatgruppen übelste Neonazi-Hetze geteilt, was nur durch Zufall ans Licht gekommen war.