Düsseldorf. 25 Prozent der Wege in NRW sollen mit dem Rad zurückgelegt werden – so das Ziel des neuen Fahrradgesetzes. Doch von Verbänden hagelt es Kritik.
Der NRW-Landtag stellte am Freitag die Weichen für das erste Fahrradgesetz in einem deutschen Flächenland. Man wolle den Radverkehr so attraktiv machen, „dass noch mehr Menschen morgens auf dem Weg zur Arbeit das Fahrrad zu ihrem Verkehrsmittel machen“, sagte NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU), der das Gesetz im Parlament vorstellte.
Das Rad solle künftig in NRW anderen Verkehrsmitteln gleichrangig und zu einer „echten Alternative“ für Pendler werden. Ziel der Gesetzesinitiative ist, dass 25 Prozent der Wege in NRW künftig mit dem Rad zurückgelegt werden.
Dafür will das Land ein Radvorrangnetz mit besonders wichtigen, überörtlichen Verbindungen erstellen. Für den Bau von Radschnellwegen soll ein landesweiter Bedarfsplan entwickelt werden. Um den häufig noch sehr zähen Radwegebau zu beschleunigen, habe man „erstmals Planer eingestellt, die sich nur um Radwege kümmern“, so Wüst. Klagen sollen bei Planungen für den Bau von Radschnellwegen künftig keine aufschiebende Wirkung mehr haben.
Interessenverbänden geht der Gesetzesentwurf nicht weit genug
Interessenverbände reagierten enttäuscht. Ihnen geht der Entwurf nicht weit genug. Hauptkritik: In dem Gesetz steht kein Zieldatum für die angestrebten 25 Prozent Radverkehrsanteil. „Dass die so zentrale Jahreszahl als Zielgröße fehlt, enttäuscht uns, und sicher auch die Erwartungshaltung vieler Menschen, die jetzt schon Fahrrad fahren“, kritisierte der Fahrradverein „Radkomm“. Die Initiative „Aufbruch Fahrrad“ fordert die Erreichung des 25-Prozent-Ziels bis 2025.
Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) in NRW sprach einem „mutlosen Gesetz“, das keine Aufbruchstimmung auslöse. „Mit dem vorliegenden Entwurf jedenfalls wird es nicht möglich sein, den Radverkehr von aktuell rund zehn auf 25 Prozent mehr als zu verdoppeln“, sagten die ADFC-Landesvorsitzenden Annette Quaedvlieg und Axel Fell. Ungewiss bleibe unter anderem, mit welchen finanziellen Mitteln der Radverkehr künftig dauerhaft gefördert werde.
ADFC: Wie soll bislang für Autos genutzter Platz neu aufgeteilt werden?
Auch wie das Tempo zum Bau hunderter Kilometer Radwege, Radvorrangrouten und Radschnellwege erhöht werden solle, kläre der Gesetzentwurf nicht, so der ADFC. Außerdem, so Fell, stelle sich die Kernfrage: „Wie soll der vorhandene Platz in den nordrhein-westfälischen Städten, der bislang weitgehend für das Auto reserviert ist, neu aufgeteilt werden?“ Eine Antwort bleibe der Gesetzentwurf schuldig.
Im Gespräch mit dem „Kölner Stadtanzeiger“ hatte sich Verkehrsminister Wüst dagegen ausgesprochen, Autos vorschnell zugunsten anderer Verkehrsteilnehmer auszusperren. Bevor man mit einer Umverteilung beginne, müsse man „die Mobilitätsbedürfnisse aller im Blick haben“, sagte er. Solche Äußerungen wecken Misstrauen unter den Vereinen und Verbänden, die den Radverkehr fördern möchten.
Verein "Radkomm": Blick auf Pendler, Schüler und Studenten fehlt
Der Verein „Radkomm“ schreibt in einer Mitteilung, die Maßnahmen im Gesetz seien alle eher „auf langfristige Wirksamkeit ausgelegt“. Dabei müssten jetzt sehr schnell neue Radwege geplant und gebaut werden. „Überhaupt fehlen die messbaren Ziele für das Land und die Kommunen“, heißt es in einem Statement des Vereins.
Darüber hinaus vermisst „Radkomm“ den Blick auf Pendler, Schüler und Studenten. Die nämlich bräuchten gute Radverkehrsverbindungen „viel dringender als Radreisende, die als einzige Zielgruppe im Gesetz erwähnt sind“.
Grüne wollen eigenes Fahrradgesetz ins Parlament bringen
Auch die Opposition sparte nicht mit Kritik. Carsten Löcker, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, nannte das Gesetz „unambitioniert“. Der Grünen-Verkehrspolitiker Arndt Klocke forderte Verbesserungen. Die Grünen wollen ein eigenes Fahrradgesetz in den Landtag einbringen.
Zuspruch gab es dagegen vom Koalitionspartner. Der FDP-Landtagsabgeordnete Ulrich Reuter nannte das Fahrradgesetz einen „Meilenstein“. Gleichzeitig betonte er, dass das Auto notwendig bleibe. Klaus Voussem (CDU) sagte, das Gesetz hebe das Fahrrad als Verkehrsmittel auf eine neue Stufe. NRW gehe damit „noch einen ganzen Schritt weiter als andere grün-mitregierte Bundesländer“.
Initiative "Aufbruch Fahrrad" sammelte Stimmen für ein NRW-Fahrradgesetz
Das Fahrradgesetz geht auf die Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“ zurück, die im Jahr 2019 über 200.000 Stimmen in NRW dafür gesammelt hatte. Verkehrsminister Wüst hatte früh signalisiert, dass er diese Botschaft verstanden habe und den Kontakt zu Radfahrinitiativen gesucht.
Fördern will das Land auch den Bau von Fahrradstationen und Abstellanlagen für Lastenräder sowie die Schaffung von Sharing-Angeboten für Räder und Elektro-Kleinstfahrzeuge wie zum Beispiel E-Scooter. Darüber hinaus ist die „Vision Zero“ – das Ziel, dass es im Straßenverkehr keine Verletzten und Toten mehr gibt – im neuen Gesetz verankert.