Düsseldorf. Mit den vorhandenen Ressourcen geht es nicht: Experten rufen im Landtag nach mehr Personal für Unterricht und Sozialarbeit
Schul-Experten rechnen mit erheblichen und langfristigen Problemen beim Aufholen der Lernrückstände im nächsten Schuljahr. „Das dürfte zwei bis drei Schuljahre dauern. Man kann nicht die Lern-Defizite aus 15 Monaten Pandemie in zwölf Monaten aufholen“, sagte Andreas Tempel, Leiter einer großen Solinger Gesamtschule, am Mittwoch im Schulausschuss des Landtags. Inzwischen gibt es sogar Forderungen nach einer Verlängerung von Schuljahren.
Die Schulen benötigten dringend viel mehr Personal für Unterricht und Schulsozialarbeit. Laut Tempel konnten manche Schulen während des monatelangen Distanzunterrichtes nur die Hälfte ihrer Schüler überhaupt erreichen. Sogar Lehrer tauchten ab, hatte die Pädagogik-Professorin Ricarda Steinmayr in einem Interview mit dieser Redaktion gesagt.
"Schule ist ein chronisch unterfinanziertes System"
Der Chef des Verbandes Lehrer NRW, Sven Christoffer, erklärte, dass das Lehrpersonal in der Regel gar nicht wisse, wie viel Stoff die Kinder verpasst haben. „Wir benötigen jetzt ein Diagnoseinstrument, um herauszufinden, wie groß die Lernrückstände sind“, so Christoffer. Nach dieser Diagnose müssten die Schulen spürbar „mehr Stellen für die individuelle Förderung der Kinder und Jugendlichen in Klein- und in Kleinstgruppen erhalten. Mit den vorhandenen Ressourcen sei das nicht zu stemmen. Schule sei leider immer noch „ein chronisch unterfinanziertes System“, so die Experten.
Allein mit freiwilligen Angeboten an die Schüler zum Nachholen von Lernstoff sei es nicht getan. Sowohl Christoffer als auch Tempel verlangen eine Mischung aus Freiwilligkeit und Pflicht. „Die Erfahrung lehrt, dass gerade jene Schüler, die das besonders benötigen, nicht in diese Lerngruppen kommen“, gibt der Verbands-Vorsitzende zu bedenken.
Kinder sitzen wie in der "Häschenschule"
Laut Andreas Tempel haben sich Probleme angehäuft, die trotz der Rückkehr der Schüler in den Präsenzunterricht nachwirkten: Viele Referendare hätten während der Pandemie kaum Praxiserfahrung sammeln können. Im Moment sei wegen der Abstandsregeln keine Gruppenarbeit möglich: „Die Kinder sitzen wie in der Häschenschule hintereinander.“
Lisa Gregor vom Mentoringprogramm für Grundschüler „Balu und Du“ warb vor dem Schulausschuss für „multiprofessionelle Teams“ aus Lehrern, Sozialpädagogen und Sozialarbeitern, die sich in den kommenden Monaten um die Kinder kümmern und sie gegebenenfalls in ihren Familien aufsuchen sollten. „Die Schulen brauchen Klarheit, wie es weiter geht, und die Möglichkeit, die Mittel, die sie bekommen, flexibel einzusetzen“, so Gregor.
Verband warnt: Nicht zu viele Lehramtsstudierende anwerben
Sven Christoffer warnte davor, viel zusätzliches Schulpersonal unter den Studenten zu rekrutieren. Für eine qualitativ gute Arbeit mit den Kindern solle man außerdem nur auf Studierende zurückgreifen, die „mindestens den Bachelor haben“.