Essen. Ein „Reförmchen“ sagen Arbeitgeber, „ein Pflästerchen“ Vertreter von zu Pflegenden: Aus NRW gibt es Kritik an der Reform für die Altenpflege.

Die Pflegereform von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) stößt in NRW auf Kritik. Arbeitgeber aus dem Ruhrgebiet sprechen von einem „Reförmchen“ für die Altenpflege und warnen davor, dass die Reformkosten zulasten der zu Pflegenden gehen könnten.

„Der jetzt vorliegende Vorschlag ist nicht ausreichend, um die zusätzlichen Kosten der Arbeitgeber nachhaltig zu refinanzieren“, sagte Thomas Eisenreich, Sprecher der Arbeitgeberinitiative Ruhrgebietskonferenz Pflege. „Es darf nicht dazu kommen, dass die Pflegebedürftigen stärker belastet werden oder im ambulanten Bereich sogar auf Leistungen verzichten, weil sie sie nicht bezahlen können.“

Altenpflegekräfte sollen nach Tarif bezahlt werden

Mit der Reform, die am Mittwoch zunächst im Bundeskabinett beschlossen werden soll, sollen Altenpflegekräfte verpflichtend nach Tarifverträgen oder mindestens in entsprechender Höhe bezahlt werden. Auch um diese Kosten auszugleichen, ist ein jährlicher Bundeszuschuss in Höhe von einer Milliarde Euro ab 2022 sowie ein um 0,1 Prozentpunkte höherer Beitragszuschlag für Kinderlose geplant.

Aus Sicht der Arbeitgeber ist ein deutlich höherer Zuschuss nötig. Auch abseits von Tarifbindungen würden Pflegelöhne seit Jahren steigen, so Eisenreich. „Wir haben nichts gegen höhere Löhne, aber es braucht mehr Geld im System.“

Interessenvertreter von Pflegebedürftigen: Heimbewohner stärker entlasten

Der Pflegeschutzbund Biva warnt vor einer zu hohen Belastung speziell von Heimbewohnern. „Wir haben schon jetzt in NRW die Situation, dass sie einen besonders hohen Eigenanteil zum Heimplatz zahlen“, sagt Biva-Landessprecher David Kröll. Ein Grund dafür seien die bereits vergleichsweise höheren Pflege-Lohnkosten. In NRW zahlten Heimbetreiber mehrheitlich nach Tarif oder sie orientierten sich daran. „Wir befürworten leistungsgerechte tarifliche Löhne in der Altenpflege“, so Kröll. „Die Eigenanteile müssen aber gedeckelt werden.“ Spahn plant indes nur, einen Zuschuss gestaffelt nach Verweildauer zu zahlen. Kröll nennt das „ein Pflästerchen“.

Auch das Diakonische Werk Rheinland-Westfalen-Lippe kritisiert dies als unzureichend. Lediglich ein Drittel der Bewohner wohne länger als 36 Monate in den Einrichtungen – und erst dann zeige sich eine echte finanzielle Entlastung. „Pflegebedürftigkeit ist zum realen Armutsrisiko geworden“, sagt Diakonie-Vorstand Thomas Oelkers. Pflege müsse dringend besser entlohnt werden. Die Diakonie zahlt nach Tarif.

Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi verdient eine vollzeitbeschäftigte Altenpflegefachkraft in NRW ein mittleres monatliches Bruttoentgelt von 3134 Euro und damit etwas mehr als im westdeutschen Durchschnitt (3125 Euro). Zwei Drittel der teil- und vollstationären Pflegeeinrichtungen in NRW sind in Hand freier oder kommunaler Träger. Verdi fordert einen Pflege-Tarifvertrag.