Berlin. Union und SPD haben sich auf neue Regeln für die Pflege geeinigt. Doch nicht alle werden von dieser Reform profitieren. Ein Überblick.
Zu wenig Personal, zu hohe Kosten, schlechte Versorgung, falsche Einstufung – die Altenpflege ist seit Jahren eine Dauerbaustelle der deutschen Politik. Auch die aktuelle Pflegereform, die an diesem Mittwoch ins Bundeskabinett kommen soll, wird nicht die letzte sein.
Im Kern geht es diesmal um eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte und eine Entlastung der Familien bei den Pflegekosten. Doch nicht alle werden davon profitieren. Wer sind die Verlierer und wer die Gewinner der Pflegereform?
Reform: Was ändert sich für Pflegekräfte?
Wichtigstes Ziel der Reform sind höhere Löhne für Hunderttausende Beschäftigte in der Altenpflege: Von den rund 1,2 Millionen Pflegekräften bekommt laut Arbeitsministerium derzeit nur knapp die Hälfte Tariflohn. Ihr Stundenlohn liege im Schnitt zwei Euro unter Tarif.
Ein Vorstoß für einen Tarifvertrag, den Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für die ganze Branche verbindlich machen wollte, war zu Jahresbeginn am Widerstand der christlichen Arbeitgeber gescheitert.
Der Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn zielt jetzt darauf ab, dass ab 1. September 2022 Versorgungsverträge künftig nur noch mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden dürfen, die entweder einen Tarifvertrag mit einer Gewerkschaft abschließen oder die Lohnvereinbarung aus einem gültigen regionalen Tarifvertrag für die eigenen Mitarbeiter übernehmen.
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Pflegereform: Diese Angestellten zählen zu den Gewinnern
Heißt: Wer aktuell in einer Pflegeeinrichtung oder einem Pflegedienst beschäftigt ist, der sich bei der Lohnbemessung nicht an einem der bestehenden Tarifverträge orientiert, kann demnächst mit höheren Bezügen rechnen – und würde damit zu den Gewinnern gehören.
Mit den höheren Löhnen soll auch der Pflegeberuf insgesamt attraktiver werden: Der Sozialverband VDK geht davon aus, dass in zehn Jahren bis zu 400.000 Pflegerinnen und Pfleger fehlen. Um die Lücke zu schließen, bemüht sich Spahn seit Längerem auch um die gezielte Anwerbung ausländischer Pflegefachkräfte.
Was ändert sich für Pflegebedürftige und Angehörige?
In den Augen der Regierung gehören auch sie zu den Profiteuren der Reform – doch langfristig ist das zumindest unsicher. Denn: Wachsende Gewinnorientierung und steigende Kosten in der Pflege führen dazu, dass viele Betreiber von Pflegeeinrichtungen die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen immer stärker zur Kasse zu bitten.
Um das zumindest abzufedern, sollen diese Eigenanteile nun gesenkt werden: Sie lagen zuletzt bei 2068 Euro pro Monat im Bundesschnitt. Darin enthalten sind neben dem Eigenanteil für die reine Pflege bei Heimbewohnern auch noch Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen der Einrichtungen.
Nach Spahns Plänen soll der Eigenanteil für die reine Pflege künftig im zweiten Jahr im Heim um 25 Prozent sinken, im dritten Jahr um 50 Prozent und ab dem vierten Jahr um 75 Prozent. Zur Finanzierung ist unter anderem jährlich eine Milliarde Euro zusätzlich aus dem Bundeshaushalt eingeplant.
Interessenverbände kritisieren Spahns Pflegereform
Vielen Interessenvertretern der Pflegebedürftigen geht das nicht weit genug: Es handele sich gar nicht um eine echte Deckelung der Kosten – sondern nur um einen staatlichen Zuschuss, der zudem nur an langjährige Heimbewohnerinnen und Heimbewohner gehe.
Es sei falsch, dass Personen mit kürzerer Lebenserwartung außen vor blieben, so Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Ähnlich sieht es der Sozialverband VDK: Das geplante Reformpaket sei „ein schlechter Witz auf Kosten der Schwächsten“, so VDK-Präsidentin Verena Bentele.
Sie erwarte, dass die Heimbewohner künftig mehr Geld zahlen müssten. Statt einer Milliarde müsse der Bund sechs Milliarden Euro aus dem Haushalt beisteuern. „Statt am Ende der Legislatur ein paar Änderungen anzustoßen, brauchen wir endlich den Mut für eine echte Reform: eine Pflegevollversicherung, die die gesamten pflegebedingten Kosten übernimmt“, so Bentele.
Was ändert sich für Beitragszahler?
Kinderlose Beitragszahler sind auf den ersten Blick Verlierer der Reform: Der Zuschlag für Kinderlose beim Pflegebeitrag soll um 0,1 Punkte angehoben werden. Kinderlose zahlen bereits jetzt 3,3 Prozent von ihrem Lohn, bei allen anderen liegt der Beitragssatz bei 3,05 Prozent.
Möglicherweise müssen aber bald alle mehr zahlen: „Nach ersten vorsichtigen Schätzungen erwarten wir im nächsten Jahr trotz der angekündigten Beitragserhöhung für Kinderlose eine Finanzierungslücke von rund zwei Milliarden Euro“, sagte Gernot Kiefer, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des Spitzenverbands der Gesetzlichen Krankenkassen. „Eine nachhaltige Pflegefinanzierung sieht anders aus.“
Pflegeheime: Was ändert sich für die Betreiber?
Viele Arbeitgeber in der Pflege fühlen sich als Verlierer der Reform. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) geißelt die Pflegereform als Versuch, in die Tarifautonomie einzugreifen. „Trotz überdurchschnittlich gestiegener Entlohnung in der Pflege spielt die Bundesregierung Tarifpartner von der Seitenlinie.“
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