Düsseldorf. Bundesgesundheitsminister Spahn zeigt beim mutmaßlichen Abrechnungsbetrug in Testzentren auf die Kommunen. Die wehren sich jedoch.

Der mögliche Abrechnungsbetrug mit Corona-Tests hat ein parlamentarisches Nachspiel. Die SPD-Opposition hat am Montag einen Bericht von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) für die Sitzung des Fachausschusses im Landtag in der kommenden Woche beantragt. „Es ist schon verwunderlich, dass sich bei der Landesregierung offensichtlich niemand für die Kontrolle der Testzentren verantwortlich fühlt“, erklärte SPD-Gesundheitsexperte Josef Neumann. Laumann solle darlegen, „wie viele und welche Testzentren in NRW betroffen sind und wie hoch der finanzielle Schaden für die Steuerzahler ist“.

Das NRW-Gesundheitsministerium verwies dagegen am Montag auf die Zuständigkeit von Kassenärztlicher Vereinigung und Bundesregierung: „Die Abrechnung erfolgt alleine über die kassenärztlichen Vereinigungen in einem vom Bund geregelten Verfahren“, erklärte ein Sprecher. Das Land habe zwar in einer eigenen Verordnung mit verschiedenen Dokumentationspflichten für die Testzentren-Betreiber Kontrollmöglichkeiten geschaffen. „Inwieweit diese genutzt werden, liegt in der Hand der Abrechnungsstellen“, so Laumanns Ministerium. Die Kommunen würden die Testbetreiber stichprobenartig kontrollieren, jedoch allein Hygienefragen oder den medizinischen Umgang mit den Abstrichen in den Blick nehmen und ausdrücklich keine Abrechnungen: „Dabei geht es immer nur um die Qualität.“

Bundesgesundheitsminister sieht die Kommunen in der Kontrollpflicht

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht dagegen vor allem die Gesundheitsämter in der Pflicht. Die Kommunen genehmigten schließlich die Testzentren. „Der Bund setzt den Rahmen, der Bund gibt die Regeln vor, der Bund übernimmt die Kosten, aber der Bund kann nicht die Teststellen vor Ort kontrollieren“, sagte Spahn dem Deutschlandfunk.

Aus den Kommunen wird der Vorwurf zurückgewiesen. Es gebe bislang keine Rechtsgrundlage, die Bücher der Testzentren einzusehen, erklärte eine Sprecherin der Stadt Essen auf Anfrage. Allein in Essen wird etwa die Hälfte der knapp 400 Teststellen durch private Dienstleister betrieben. Diese müssten in NRW zwar tagesaktuelle Testzahlen melden, die jedoch den lokalen Behörden bislang nur zur Einschätzung des Infektionsgeschehens dienten. „Eine Plausibilitätsprüfung, ob die Tests tatsächlich stattgefunden haben, können wir gar nicht vornehmen“, so die Stadtsprecherin. Ob auf Basis eines bloßen Betrugsverdachts die Genehmigung zum Betrieb eines Testzentrums von den Städten wieder entzogen werden könnte, wird juristisch unterschiedlich bewertet. Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt ja erst noch.

In NRW müssen Daten gesammelt werden - nur wer kontrolliert?

Rückendeckung erhielten die kommunalen Verantwortlichen von Grünen-Gesundheitsexperte Mehrdad Mostofizadeh: "Jetzt, wo der Skandal offenkundig wird, folgt auch noch ein peinliches Verschieben der Verantwortung." Geradezu unglaublich sei "das Gebaren des offensichtlich überforderten Bundesgesundheitsministers, der die Schuld bei den massiv belasteten Kommunen sieht", so Mostofizadeh.

In NRW hat die Landesregierung schon im März festgelegt, dass Teststellen-Betreiber die Identität der Testpersonen für den Überprüfungsfall archivieren müssen. Doch wer diese Kontrollen durchführen soll, blieb bislang unklar. Erst jetzt wollen Bund und Länder ein Überwachungssystem entwickeln, damit der Weg von der Materialbeschaffung bis zum abgerechneten Test wie in jedem anderen Gewerbe nachvollziehbar wird.

Der Rechercheverbund aus WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung hatte enthüllt, dass die Vergütung von Corona-Bürgertests großangelegten Betrug ermögliche. Die wie Pilze aus dem Boden schießenden Teststellen könnten ohne jeden Beleg beliebige Zahlen von angeblichen Abstrichen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen abrechnen. Diese wiederum lassen sich die Kosten vom Bund erstatten. Die Erstattungssumme pro Test beträgt bis zu 18 Euro.