Essen/Düsseldorf. Studierendenvertreter sowie die Grünen im Landtag kritisieren die Öffnungspläne der Hochschulen. Fragen zum Infektionsschutz seien ungeklärt.

Nach der Entscheidung der Landesregierung, die Schüler ab 31. Mai wieder in die Klassen zu rufen, bereiten sich auch die Hochschulen des Landes wieder auf erste vorsichtige Öffnungsschritte vor. „Vor dem Hintergrund der stetig sinkenden Infektionszahlen scheint es realistisch, nach Pfingsten wieder mehr Präsenzveranstaltungen anbieten zu können“, teilt die Landesrektorenkonferenz auf Anfrage mit. Vor allem die Studienanfänger sowie die Abschluss-Semester sollen dann wieder allmählich in die Hörsäle und Seminarräume zurückkehren. Studierende sowie die Grünen im Landtag sehen aber noch ungelöste Fragen, was den Infektionsschutz angeht.

Seit einem Jahr lernen die rund 750.000 Studierenden in NRW vor allem in Online-Veranstaltungen. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hatte am Mittwoch im Landtag den Hochschulen Hoffnung gemacht: „Wir wollen ein kleines Stück Normalität auch an den Hochschulen möglich machen. Es gibt Studierende, die drei Semester studieren, aber ihre Hochschule nicht von innen gesehen haben.“ Die Unis weisen jedoch darauf hin, dass wegen der Abstands- und Hygieneregeln absehbar kein normaler Lehr- und Forschungsbetrieb möglich sei.

Testzelt an der Uni Dortmund

Schon seit Mitte März müssen alle Studierenden, die in einen Hörsaal, ein Labor oder einen Seminarraum betreten wollen, an der Uni Dortmund eine Teststraße durchlaufen. „Jeder Studierende, der an einer Präsenzveranstaltung teilnehmen will, muss einen Coronatest vorweisen“, erklärt Uni-Sprecherin Eva Prost. Rektor Manfred Bayer will den Studierenden wieder auf diese Weise mehr Präsenz ermöglichen als in den vergangenen Semestern und verhindern, dass sie weitere Nachteile in ihrem Studium in Kauf nehmen müssen, wie etwa längere Studienzeiten.

„Einzelne Studierende haben auch ihr Studium abgebrochen. Deswegen wollen wir sie auf den Campus holen, aber gleichzeitig verhindern, dass die Infektionszahlen steigen“, sagte Bayer. Mehr als 5700 Angehörige der Uni Dortmund haben sich bislang einem PCR-Test unterzogen. Vier davon seien positiv ausgefallen.

Volle Hörsäle bleiben vorerst Utopie

Wie die TU Dortmund haben sich viele Hochschulen auf die Situation eingestellt. So hat auch die Uni Duisburg-Essen eine Teststrategie gestartet, wonach jeder, der an die Universität kommt, sich testen lassen oder sich selbst testen muss. „Das war aber vorrangig als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme gedacht und nicht, um die Präsenz zu erhöhen“, schränkt die Uni ein. „Volle Hörsäle wird es auf absehbare Zeit nicht geben.“

Der Hochschulbetrieb läuft nun im dritten Semester weitgehend komplett im Online-Modus ab. Ausnahmen waren Lehrveranstaltungen, bei denen die Anwesenheit für den Fortgang des Studiums unbedingt nötig war, weil sonst eine Verzögerung des Studiums drohte. Darunter fallen zum Beispiel Praktika in den Laboren der Chemie, Physik oder Biologie, Übungen in Kunst, Musik, Sportwissenschaft oder in der Medizin.

Land erlaubt erste Öffnungsschritte

Diejenigen, die erst in einem der letzten drei Semester ihr Studium aufgenommen haben, kennen Professorinnen und Professoren, Kommilitoninnen und Kommilitonen nur als Kacheln auf dem Bildschirm“, sagt Prof. Anja Steinbeck, Rektorin der Uni Düsseldorf und Sprecherin der Landesrektorenkonferenz (LRK). Gerade für sie sei der Einstieg ins Studium schwierig gewesen. Verloren gehe, was Universität neben dem Studium ausmacht: der persönliche Austausch, das gemeinsame Lernen, die Debatten und vieles mehr.

Angesichts sinkender Inzidenzzahlen macht die Landesregierung den Hochschulen indes Hoffnung, dass dieses Semester mit mehr Präsenzveranstaltungen ausklingen könnte. „In einem ersten Schritt haben wir daher jetzt mehr Präsenz bei Prüfungen ermöglicht“, sagte NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) dieser Redaktion. „Wenn sich die Inzidenz-Zahlen weiter so positiv entwickeln wie zuletzt, sind Anfang Juni weitere Öffnungsschritte an den Hochschulen hin zu mehr Präsenz vorgesehen – nicht nur bei Prüfungen, sondern auch bei Lehrveranstaltungen“, so die Ministerin. Hierzu sei das Land in Gesprächen mit den Hochschulen.

33.000 Studierende auf dem Campus – unmöglich

Dennoch könne in nächster Zeit an den Hochschulen nicht von einem Normalbetrieb die Rede sein, betonen die Unis. „Wie in den Schulen wird es bei uns bei uns nicht funktionieren“, sagt Eva Prost, Sprecherin der Uni Dortmund. „Wenn man sich vorstellt, dass 33.000 Studierende auf den Campus kommen, in die Hörsäle und die Mensa gehen und Partys feiern, dann ist das nicht vorstellbar.“ Allein durch die Abstandsregeln werde das Platzangebot der Uni auf unter 20 Prozent reduziert. Veranstaltungen mit mehr als 50 Teilnehmern sind nicht erlaubt. Die beste Strategie gegen die Pandemie sei immer noch die Kontaktvermeidung.

Viele Studierende scheinen ohnehin skeptisch zu sein, was Öffnungsszenarien angeht: „Wir sehen eine Rückkehr zur vollständigen Lehre in Präsenz nicht als Möglichkeit in diesem Semester“, sagt die Dortmunder Asta-Sprecherin Hestia van Roest. Da Impfungen in dieser Altersgruppe derzeit nicht absehbar seien, „würden wir es als mindestens unfair, wenn nicht sogar fahrlässig ansehen, sie nun für die letzten Wochen in die Präsenzlehre zurückzuholen.“

Kritik von den Grünen: Noch viele offene Fragen

Kritisch äußerten sich auch sie Grünen im Landtag zu den Öffnungsplänen. Sie fordern die NRW-Regierung auf, ihre aktuellen Pläne für Präsenzveranstaltungen in Hochschulen am 9. Juni im Wissenschaftsausschuss des Parlamentes zu erklären. „Mit seiner Ankündigung hat der Ministerpräsident eine Lawine der offenen Fragen losgetreten“, sagte Matthi Bolte-Richter, wissenschaftspolitischer Sprecher der Grünen, dieser Redaktion. Er wirft Armin Laschet vor, weder mit Personalräten, noch Studierenden und Studierendenwerken über diese Pläne gesprochen zu haben.

Der Abgeordnete weiter: „Es sind noch höchstens neun Wochen bis zum Ende der Vorlesungszeit, aber es gibt so viele Fragen, die noch nicht geklärt sind. So gibt es beispielsweise keine rechtssicheren Vorgaben des Landes, um einen einheitlichen Infektionsschutz für Beschäftigte und Studierende sicherzustellen.“ Die Landesregierung müsse dafür die Voraussetzungen schaffen und den Hochschulen Zeit und ausreichende Mittel für den Aufbau von Testkapazitäten geben.

>>>> Impfstrategie gefordert

Die Landesrektorenkonferenz (LRK) mahnt auch für Studierende eine Impfstrategie an. „In der Hoffnung, dass wir im Winter wieder deutlich mehr Präsenzveranstaltungen anbieten können, muss die Frage geklärt werden, wie wir mit Studierenden umgehen, die noch nicht geimpft sind“, sagt Prof. Anja Steinbeck. Die LRK würde daher eine „vorausschauende Regelung des Landes sehr begrüßen“. „Für das kommende Wintersemester rechnen wir mit einem großen Schritt in Richtung Normalisierung. Wenn die Studierenden bis zum Beginn des Wintersemesters nicht geimpft seien, drohe "ein bildungspolitisches Desaster", so der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, Lambert T. Koch.