Düsseldorf. Die Zulassung für Corona-Impfungen der Jugend scheint in Sicht. Aber noch fehlt das Konzept in NRW. Fragen und Antworten im Überblick.

Die Impfkampagne nimmt nach holprigem Start Fahrt auf in NRW. In einem nächsten Schritt könnten auch Jugendliche gegen Covid-19 immunisiert werden. Aber noch sind viele Fragen dazu offen.

Wie ist die Ausgangslage?

Kinder und Jugendliche unter 16 können in Deutschland noch nicht geimpft werden. Der Hersteller Biontec/Pfizer lässt allerdings von der EU-Arzneimittelagentur EMA prüfen, ob auch Kinder zwischen zwölf und 15 Jahren mit seinem Produkt geschützt werden dürfen. Die Behörde könnte möglicherweise schon Ende Mai oder Anfang Juni grünes Licht dafür geben, und dann sollte auch die Organisation dieser Impfungen klappen. Der Bund weckt schon Hoffnungen, dass alle Jugendlichen, deren Familien dies wollen, bis zum Schuljahresbeginn geimpft sein könnten. Es gibt auch vage Hoffnungen, dass im Herbst Impfstoffe für kleine Kinder zugelassen werden.

Fläschchen mit dem Impfstoff von Biontec/Pfizer: In Kanada dürfen schon Kinder und Jugendliche geimpft werden, die zwischen 12 und 15 Jahren sind.
Fläschchen mit dem Impfstoff von Biontec/Pfizer: In Kanada dürfen schon Kinder und Jugendliche geimpft werden, die zwischen 12 und 15 Jahren sind. © dpa | Angelika Warmuth

Wie reagieren Kinderärzte auf diese Situation?

Der Sprecher des Verbandes der Kinder- und Jugendärzte für Westfalen-Lippe, Michael Achenbach, erinnert daran, dass im Sommer viele Praxen geschlossen sind beziehungsweise Urlaubsvertretungen anfallen. Die Covid-19-Schutzimpfung sei außerdem aufwändiger als andere Impfungen. „Man braucht Zeit dafür, weil viele Fragen zu klären und viele Formulare auszufüllen sind“, so Achenbach. Was viele Kinder- und Jugendmediziner auch ärgert: Der Aufwand spiegele sich nicht in der Vergütung von 20 Euro pro Impfung wider. Eine Impfung in den Schulen ist in den Ferien natürlich unmöglich und auch danach nicht mit einem Besuch in der Praxis zu vergleichen. Achenbach: „Der impfende Arzt sollte die Gelegenheit haben, mit den Eltern zu sprechen und Informationen über den Impfling zu bekommen. Das ist bei einer Schul-Impfaktion nicht leicht.“

Wie sinnvoll ist die Impfung von Kindern?

Martin Terhardt von der Ständigen Impfkommission weist wie viele Mediziner darauf hin, dass der individuelle Nutzen für die Kinder deutlich geringer sei als bei Erwachsenen, weil Kinder deutlich seltener schwer an Covid-19 erkrankten.

„Die Impfkampagne für Kinder und Jugendliche hat also vor allem ein soziales Ziel: Sie soll ein Dienst an der Gesellschaft sein, weil Herdenimmunität ohne die Jüngeren schwer zu erreichen ist“, erklärt Michael Achenbach. Wenn man also Kinder und Jugendliche impfe, obwohl ihr Risiko, schwer zu erkranken, recht klein sei, dann müsse der Impfstoff besonders sicher sein.

Der Präsident des Robert-Koch-Institutes, Lothar Wieler, ist übrigens der Ansicht, Kinder trügen „auf jeden Fall zum Infektionsgeschehen bei.“ Langzeitfolgen, die es auch bei Kindern gebe, dürfe man bei der Risikobewertung einer Impfung für die Jüngsten nicht aus dem Blick verlieren.

Wie ist die öffentliche Meinung?

Die Mehrheit der Deutschen sei sogar dafür, im Falle eines zugelassenen Impfstoffs, Schüler verpflichtend gegen Corona zu impfen. Das geht aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA für das Magazin „Focus“ hervor. Demnach befürworten 53 Prozent der Bundesbürger eine Impfpflicht für den Schulbesuch, 29 Prozent lehnen sie ab.

Erfahrungsgemäß gibt es unter vielen Eltern eine gewisse Impfskepsis, wenn es um ihre Kinder geht. „Es wird immer Eltern geben, die sagen: Wir wollen das nicht. Eine Impfpflicht wie bei Masern würde das so wichtige Vertrauen von Anfang an zerstören“, warnte der gesundheitspolitische Sprecher der SPD im Landtag, Josef Neumann.

Was fordert die SPD?

Schafft möglichst viele Impfgelegenheiten für Kinder und Jugendliche, raten SPD-Landtags-Fraktionsvize Lisa-Kristin Kapteinat und ihr Kollege Josef Neumann. Von den Kindern in bürgerlichen Wohnquartieren, die in ihren Familien gut behütet sind, bis hin zu Kindern in Flüchtlingswohnheimen müsse das Angebot reichen. Weil nicht alle einen Kinderarzt zu Rate ziehen, sollten mobile Impfteams in Schulen und Kitas gehen. Vertrauen sei besonders wichtig, schließlich handele es sich bei Kindern und Jugendlichen um eine „besonders sensible Gruppe“, die noch dazu in der Pandemie einen hohen Preis bezahlt habe, unter anderem die monatelange Vereinsamung.

Bis Ende Mai sollte NRW eine schlüssige Kinder- und Jugendimpfstrategie erarbeiten, so die beiden Politiker. Alle Familien sollten schriftlich über dieses Angebot informiert werden.

Was sagen Lehrer dazu?

Es sei wichtig, diese Impfkampagne sorgfältig vorzubereiten, um Chaos zu vermeiden. Das Lehrpersonal dürfe dadurch nicht noch weiter belastet werden, meinte Stefan Behlau, NRW-Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE).