Essen. Bochumer Forscher haben Sterberaten und die Akzeptanz von Corona-Maßnahmen in Relation gestellt – mit erstaunlichen Ergebnissen.

Wie sehr hängt der Erfolg im Kampf gegen Corona vom Verhalten jedes einzelnen ab? Haben wir es selbst in der Hand, wie viele Opfer die Pandemie fordert? Diesen Fragen sind Wissenschaftler der Bochumer Ruhr-Universität auf den Grund gegangen. In einer aufwändigen internationalen Studie haben die Forscher des Lehrstuhls für klinische Psychologie und Psychotherapie einen direkten Zusammenhang zwischen der Sterblichkeitsrate einzelner Länder und dem Corona-Verhalten ihrer Bürger nachweisen können.

Akzeptanz für Corona-Maßnahmen zeigt sich in Sterberate

Das Ergebnis der Ende März weltweit veröffentlichten Forschungsschrift lässt sich auf einen kurzen Nenner bringen: Händewaschen rettet Leben. Dort, wo sich die Menschen um Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln wenig kümmern oder von staatlichen Stellen weniger dazu angehalten werden, geht die Covid-19-Todesrate anschließend steil nach oben.

In Ländern mit einer großen Akzeptanz von Corona-Maßnahmen steigt die Sterblichkeitsrate dagegen nur langsam. „Unser eigenes Verhalten ist die Hauptwaffe im Kampf gegen die Pandemie“, folgert Prof. Jürgen Margraf. Sein Team hat die Studie erarbeitet und sie jetzt auf dem frei zugänglichen Wissenschaftsportal PLoS (Public Library of Science) veröffentlicht.

Umfrage unter Tausenden Bürgern

Auf Grundlage der Daten lasse sich vorhersagen, wie sich die Corona-Sterblichkeit je nach Akzeptanz und Umsetzung der Pandemie-Maßnahmen entwickelt, ist der Psychologe überzeugt. Die Daten ließen auch Rückschlüsse auf die aktuelle Pandemielage zu. Betrachtet haben die Bochumer Forscher die Zahl der Menschen, die im Juni, Juli und August 2020 in Zusammenhang mit Covid-19 starben, und zwar in folgenden Ländern:

  • Deutschland
  • Großbritannien
  • Frankreich
  • Spanien
  • Schweden
  • Polen
  • Russland
  • USA

Der Entwicklung der Sterberaten stellten sie eine unmittelbar zuvor durchgeführte, repräsentative Umfrage unter Tausenden Bürgern der acht Länder gegenüber. „In der mehrstufigen Befragung ging es um die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Corona-Maßnahmen der jeweiligen Regierung und die Bereitschaft, sich daran zu halten“, erläuterte Margraf.

In Russland stieg die Zahl der Covid-19-Toten um 260 Prozent

Prozentual wurde nur berücksichtigt, wer sich stark oder sehr stark an Hygieneauflagen zu halten bereiterklärte. Mit 78 Prozent bis 88 Prozent war diese Bereitschaft in Deutschland, Frankreich, Spanien und Großbritannien besonders ausgeprägt. In allen vier Ländern stieg die Covid-Mortalitätsrate im darauffolgenden Vierteljahr nur um wenige Prozentpunkte an.

In Staaten mit geringerer Corona-Disziplin gingen die Zahlen der Corona-Toten im Vergleichszeitraum hingegen drastisch nach oben - in den USA um rund 75 Prozent, in Polen um 90 Prozent und in Russland sogar um mehr als 260 Prozent.

Selbst die allgemein als diszipliniert und gut organisiert geltenden Schweden musste eine deutlich höhere Mortalitätsrate hinnehmen als die meisten europäischen Nachbarn. Margraf führt das auf den schwedischen Sonderweg in der Corona-Bekämpfung mit zunächst deutlich weniger Pandemie-Regeln und Verboten zurück.

Unterschiede sind erschreckend groß

Besonders erschreckend sind für Margraf die großen Unterschiede zwischen den Ländern. „Der Effekt der Corona-Maßnahmen auf die Sterblichkeit ist sehr stark“, sagt der Forscher. Die Sterblichkeit stieg in Ländern mit hoher Bereitschaft, sich an Corona-Maßnahmen zu halten (Deutschland, Frankreich, Spanien, Großbritannien), im Untersuchungszeitraum im Durchschnitt nur um rund acht Prozent. In den Ländern mit geringerer Bereitschaft (USA, Schweden, Polen, Russland) war es mit rund 81 Prozent ein zehnmal so hoher Wert. Für Margraf „ein echtes Argument dafür, trotz aller Unannehmlichkeiten nicht nachzulassen mit den Maßnahmen.“

Hier geht's zur Studie (Externer Link)