Essen. Zu den Tafeln in NRW kommen immer häufiger Menschen ohne einen einzigen sozialen Kontakt am Tag. Das alarmiert die Akteure vor Ort.

Die Tafeln in NRW appellieren zum Osterfest an die Politik, sozial benachteiligte Menschen stärker in den Fokus zu nehmen. Bei der Bekämpfung der Pandemie und in der Diskussion über Lockerungen seien soziale Aspekte zu sehr aus dem Blick geraten, kritisiert Wolfgang Weilerswist, Vorsitzender des Landesverbandes der Tafeln in NRW.

„Der Wegfall so vieler sozialer Angebote wegen der Pandemie führt immer stärker dazu, dass die Leute vereinsamen“, beobachtet Weilerswist. „Zu uns kommen immer häufiger Menschen, deren einziger Kontakt am ganzen Tag die Tafel ist.“ Es gebe Millionen Betroffene, auch außerhalb der Tafeln. Für sie brauche es Perspektiven, fordert der Tafelchef. „Sozial isoliert zu sein, das macht einen mürbe und krank.“ In NRW wohnt etwa jeder fünfte Mensch allein, der Anteil steigt mit zunehmendem Alter.

450.000 Tafel-Kunden in NRW: Neue Gesichter durch die Pandemie

Weilerswist kritisiert, in der aktuellen Diskussion um Teststrategien und Corona-Modellstädte gehe es vor allem um den Handel und die Wirtschaft. „Die Omas, die sich seit einem Jahr zurückzieht, aber auch die Kinder aus schwierigen Verhältnissen erscheinen da nicht.“

Innerhalb des NRW-Landesverbandes verteilen bis zu 17.000 Ehrenamtliche gespendete Lebensmittel an rund 450.000 Bedürftige. In rund einem Drittel der 174 Tafeln ist die Zahl der Anfragen 2020 gestiegen, anderswo aber gesunken. Zu den Kunden gehören seit Beginn der Pandemie vermehrt auch Menschen in Kurzarbeit, Studenten und Soloselbstständige.

Anders als in der ersten Welle gebe es aktuell zwar kaum Schließungen, Ausgaben verzögerten sich durch Hygienemaßnahmen aber und niederschwellige Angebote wie günstige Mittagstische oder Seniorencafés fielen weg, so Weilerswist. Er selbst plädiere für einen kurzen harten Lockdown, wenn anschließend die sozialen Folgen der Pandemie stärker bedacht würden.

Diakonie-Chef in NRW macht Mut in der Krise: „Hoffnung heißt: Habt keine Angst“

Christian Heine-Göttelmann, Vorstand der Diakonie RW.
Christian Heine-Göttelmann, Vorstand der Diakonie RW. © FUNKE Foto Services | Lukas Schulze

Auch der Vorstand des Diakonischen Werks Rheinland-Westfalen-Lippe, der Theologe Christian Heine-Göttelmann, erinnert an Auswirkungen der Pandemie. Beispielhaft nennt er Programme aus dem Teilhabegesetz, die Langzeitarbeitslose gezielt fördern sollen und in Beschäftigung bringen sollen. „Unter Corona ist jetzt vieles ins Stocken gekommen, und die Träger der Maßnahmen sind nur zum Teil von Rettungsschirmen erfasst worden“, sagt der Diakonie-Chef. „Die Situation wird also nach Corona nicht besser sein.“

Der Theologe erinnert zugleich, dass Ostern mit einer starken Vision begonnen habe: „Es hat mit einer Vision davon begonnen, dass menschliches Leben friedlich und in sozialer Verantwortung füreinander stattfinden kann.“ Die Hoffnung heißt aber nicht, alles werde gut. „Die Hoffnung heißt: Habt keine Angst und handelt nicht aus Angst heraus. Sucht lebenswertes Leben und helft ihm auf die Beine – überall, wo es möglich ist.“