Essen. Theologin, Kirchenkritikerin, Buchautorin - die streitbare Theologin starb am Donnerstag mit 93 Jahren in ihrer Heimatstadt Essen
Über Kardinal Woelki hätte sie sich sicher klug und wortscharf aufregen können. Ein Leben lang hatte die streitbare Theologin die Doppelzüngigkeit der katholischen Kirche und ihre lebensfremde Sexualmoral kritisiert. In die Affäre um die Aufklärung des Missbrauchsskandals in Köln hätte sie sich sicher gern in gewohnter Manier eingemischt, denn dieser Skandal zeigt erneut, wie aktuell ihr auf vielen Bühnen ausgefochtener Kampf für eine lebensnahe und zugewandte Kirche immer noch ist.
Doch zuletzt war es ruhig geworden um Uta Ranke-Heinemann. Im Alter von 93 Jahren ist die älteste Tochter des früheren Bundespräsidenten Gustav Heinemann am Donnerstag in ihrer Heimatstadt Essen gestorben. Dies gab ihr Sohn Andreas Ranke bekannt.
Erste Theologie-Professorin
Ein Blatt vor den Mund hat sie nie genommen, und früh folgte sie ihrem eigenen moralischen Kompass. 1945 besuchte sie als einziges Mädchen das Essener Burggymnasium und legte ein Spitzenabitur hin. Sie studierte evangelische Theologie, konvertierte 1953 auf der Suche nach mehr religiöser Toleranz zum Katholizismus, was sie später offenbar bereute: „Bei den Katholiken bin ich vom Regen in die Traufe geraten“, sagte sie.
Sie promovierte und wurde 1969 die weltweit erste Professorin für katholische Theologie. 1954 heiratete sie den Religionslehrer Edmund Ranke und bekam zwei Söhne. Ihr Vater Gustav Heinemann, strenger Protestant, Sozialdemokrat und Bundespräsident von 1969 bis 1974, wollte die ihre Ehe mit dem Katholiken offenbar verhindern – vergeblich.
Streit mit der Amtskirche
Ebenso vergeblich waren die Versuche der Kirche, die eigensinnige Theologin zur Räson zu bringen. Doch Konflikte mit der Amtskirche scheute sie nie. Den Papst nannte sie unumwunden „sexistisch“, den Klerus ein „frauenfeindliches Homosexuellen-Biotop“. Und das Christentum war für sie eine „2000 Jahre alte Märchenreligion“. Streit bekam die Friedenaktivistin auch um das päpstliche Verbot der Empfängnisverhütung. Dass Afrikanerinnen mit der Hölle bedroht würden, weil sie beim Sex mit einem HIV-infizierten Mann ein Kondom benutzten, nannte Ranke-Heinemann eine „tödliche Irreführung der Menschheit“.
Auch an die biologische Jungfräulichkeit Marias konnte sie nicht glauben. Sie wollte die Jungfrauengeburt nicht wörtlich verstanden wissen, sondern sinnbildlich als Ausdruck überkommener Vorstellungsmodelle. Das war zu viel. 1987 entzog ihr der damalige Essener Bischof Franz Hengsbach die Lehrerlaubnis. Sie verlor daraufhin ihren Lehrstuhl in Essen, bekam dafür aber bald eine kirchenunabhängige Professur für Religionsgeschichte.
Abrechnung in Büchern
Dem Fernsehpublikum wurde sie durch zahlreiche Talk-Show-Auftritte – meist in einem mintgrünen Kostüm – bekannt, wo sie humorvoll und schlagfertig sein konnte. Streng hingegen fiel ihr Urteil in ihren zahlreichen Büchern aus. „Eunuchen für das Himmelreich“ über kirchliche Sexualmoral landete 1989 auf Platz zwei der Jahresbestsellerliste des Spiegels. Als ihr theologisches Hauptwerk gilt „Nein und Amen“, das sie später ihren Abschied vom traditionellen Christentum nannte.
2001 starb ihr Mann Edmund Ranke, „die Liebe meines Lebens“. Auf die Frage, was sie sich am meisten wünsche, sagte sie einmal, wenn es nach ihrem Tod ein Wiedersehen mit ihrem geliebten Mann gebe, dann sei ihr Leben sinnvoll gewesen. „Wenn nicht, war alles vergebens.“
In diesen Zeiten, in denen so viele Gläubige an der Kirche verzweifeln und neue Wege des Glaubens in und mit der Kirche suchen, wird ihre tapfere und aufrechte Stimme fehlen.