Düsseldorf. Das erste Lagebild zu rechtsextremistischen Umtrieben in der NRW-Polizei zeigt: Viele Fälle, wenige Verurteilungen. Warum das so ist.
Rechte Umtriebe in der nordrhein-westfälischen Polizei bleiben offenbar häufig ohne strafrechtliche Konsequenzen. Das geht aus dem ersten landesweiten Lagebild der „Stabsstelle Rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei NRW“ hervor, das Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag in Düsseldorf vorgestellt hat.
Näher untersucht wurden 186 Fälle, die zwischen 2017 und Ende 2020 aufgefallen waren. Es geht dabei um Rassismus, Antisemitismus oder die Verherrlichung des Nationalsozialismus vornehmlich über digitale Medien. Insgesamt 129 Strafverfahren sind eingeleitet worden, von denen 50 bislang abgeschlossen sind. 34-mal musste ohne Anklage eingestellt werden, in zehn Fällen bestätigte sich der Anfangsverdacht gar nicht erst. Es konnte nur ein einziger Strafbefehl ausgesprochen werden. In fünf weiteren Fällen kam es zu einer Einstellung des Verfahrens unter Auflagen.
Private Chat-Gruppen sind nicht immer zu ahnden
Der Austausch von Neonazi-Propaganda in privaten Polizei-Chatgruppen lässt sich oft schwer ahnden, weil ein kleiner Kreis nicht die Schwelle zur strafrechtlich relevanten „Öffentlichkeit“ überschreitet. Der Staatsanwaltschaft sind in solchen Fällen die Hände gebunden. Unberührt sind davon insgesamt 126 Disziplinarverfahren, von denen erst elf abgeschlossen sind. Jedoch kam es auch hier bislang nur zu zwei Verweisen und einer Geldbuße. Beamtenrechtlich sind die Erwartungen an eine einwandfreie demokratische Gesinnung der Ordnungshüter augenscheinlich nicht leicht durchzusetzen. Bei jungen Kommissarsanwärtern konnte das Innenministerium dagegen in sechs von 13 Fällen bereits die Entlassung durchsetzen.
Nach der Analyse der Stabstelle sind die Rechtsextremismus-Fälle über ganz NRW verteilt. Einen Schwerpunkt bildet dabei das Präsidium Essen/Mülheim, das seit Monaten Negativ-Schlagzeilen produziert. Hier zirkulierte in privaten Chat-Gruppen einer Dienstgruppe über Jahre braune Hetze. Außerdem ist eine Häufung in Aachen, Köln und Dortmund festzustellen. Überproportional werden jüngere Männer aus dem normalen Streifendienst auffällig.
Beruhigend: Konspirative Netzwerke sind nicht nachweisbar
Der beruhigende Befund: Konspirative rechtsextremistische Netzwerke innerhalb der NRW-Polizei seien bislang „nicht nachweisbar“. Bei den Chatgruppen handele es sich um innerdienstliche „Gesinnungsgemeinschaften“, in denen rechtsextremistische Einstellungen geteilt oder zumindest toleriert würden. Allerdings gab es in vier Fällen auch Bezüge zur rechtsextremen Szene; ein Polizist wurde sogar als Mitglied einer rechtsextremistischen Organisation enttarnt.
Innenminister Reul will mit Hilfe dieses ersten Lagebildes im Laufe des Jahres Handlungsempfehlungen erarbeiten lassen. In 15 Dienststellen soll zunächst ein Pilotprojekt zur besseren Aufklärung, Beratung und innerbetrieblichen Wachsamkeit starten. Auch eine Neuorganisation der Einstellungs- und Versetzungspraxis ist nicht ausgeschlossen, damit sich gefährliche „Gesinnungsgemeinschaften“ erst gar nicht mehr bilden können.