Düsseldorf. Der Ärger über den chaotischen Start der Ü80-Terminvergabe in NRW hält an. Der Ministerpräsident hat eine eigene Sicht auf das Problem.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hat die zum Teil chaotischen Zustände bei der Vergabe von Corona-Impfterminen an die landesweit rund eine Million Über-80-Jährigen als unvermeidliche Begleiterscheinung einer logistischen Herkulesaufgabe dargestellt.
Es sei lebensfremd zu glauben, „dass das gut geht“, sagte Laschet am Mittwoch im Landtag. Nordrhein-Westfalen habe als einziges Bundesland alle Menschen über 80 angeschrieben und darauf hingewiesen, dass sie ab Montag einen Impftermin vereinbaren können. Nach Abschluss der Impfung von Pflegeheimbewohnern und medizinischem Personal Anfang Februar ist diese Bevölkerungsgruppe bis voraussichtlich Mai als nächste im Impfplan an der Reihe. „Dass wenn die jetzt alle gleich zum Hörer greifen, es bei jeder Hotline Probleme geben kann, ist doch logisch“, sagte Laschet im Parlament.
40 Millionen Zugriffe - Server sind zusammengebrochen
Zu Wochenbeginn waren die Server unter zeitweilig 40 Millionen Zugriffen für die Online-Buchung zusammengebrochen. Die Callcenter der Kassenärztlichen Vereinigungen kamen anfangs selbst mit 1200 Mitarbeitern nicht nach. Landesweit gab es wütende Reaktionen, weil Angehörige nicht durchkamen oder keine abgestimmten Termine für beide Elternteile zu vereinbaren waren.
Laschet hatte dennoch von einem „gelungenen Start“ gesprochen - und rückte von dieser Einschätzung auch am Mittwoch nicht ab. In der Familie des Ministerpräsidenten hat man sich offenbar mit den Schwierigkeiten arrangiert: „Meine Brüder haben mir das auch geschrieben: Wir haben für den Vater das angemeldet, wir haben so und so viel Hundert Versuche gehabt, bis wir den Termin hatten“, erzählte Laschet.
Die Opposition kritisierte dagegen, dass die Landesregierung sehenden Auges die Organisationsprobleme in Kauf genommen habe. „Das war kein gelungener Start, das war Chaos. Das darf man nicht schönreden“, wetterte SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty. Gesundheitsexperte Josef Neumann sprach von einer „Respektlosigkeit“ gegenüber der älteren Generation.
Impfen absehbar nur in "Schwerpunktpraxen" möglich
Die CDU-Fraktion bezeichnete es als großen Erfolg, dass nach zwei Tagen immerhin rund 400.000 NRW-Bürgern über 80 ein Impftermin angeboten werden konnte. Es sei immer klar gewesen, dass die Anmeldung ein Nadelöhr sein werde.
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Absehbar wird NRW weiterhin nur in den 53 kommunalen Impfzentren impfen können. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) machte im Landtag deutlich, dass die zunächst nur verfügbaren 80.000 Impfdosen pro Woche logistisch keine Verteilung auf landesweit 11.000 Hausarztpraxen zuließen. Bislang muss sich das Land weitgehend auf den schwer zu transportierenden Impfstoff der Firma Biontech/Pfizer beschränken. Mit der Lieferung zusätzlicher Mengen an Impfdosen auch anderer Hersteller könnte sich Laumann vorstellen, das Vakzin parallel in „Schwerpunktpraxen“ spitzen zu lassen. Hintergrund: Viele Menschen über 80, die zuhause leben, sind nicht mobil genug, um weite Wege zu den Impfzentren zurückzulegen.
Staatskanzlei arbeitet an bundesweitem Fahrplan für Lockerungen
Trotz weiter sinkender Infektionszahlen wollte Ministerpräsident Laschet am Mittwoch nicht über die Wiederbelebung des öffentlichen Lebens nach dem 14. Februar spekulieren. Es sei noch nicht die Zeit, um über Lockerungen im Lockdown zu sprechen. Vorschnelle Öffnungen, die das Erreichte gefährdeten, werde es nicht geben. Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski bereite aber bereits mit seinen Länderkollegen und dem Kanzleramt eine Schrittfolge für eine Normalisierung anhand von nachvollziehbaren Kriterien vor. Klar sei, dass dabei vor allem an die Schüler gedacht werden müsse, die seit Wochen zuhause sind.
Ein strenger Lockdown bleibe das derzeit beste Mittel, um der rasanten Verbreitung von besonders ansteckenden Virus-Mutationen vorzubeugen. „Wir müssen unbedingt verhindern, dass es zu einer dritten Welle kommt“, warnte Laschet.