Düsseldorf. Der Vorsitzende des größten SPD-Landesverbandes, Sebastian Hartmann, beantwortet nach einer geplatzten Pressekonferenz derzeit keine Anfragen.
Im langen Schatten des nahen CDU-Bundesparteitags ringt die NRW-SPD fast unbemerkt von der Öffentlichkeit mit sich selbst. Die NRW jahrzehntelang prägende Partei, an deren Spitze Persönlichkeiten wie Heinz Kühn, Johannes Rau und Hannelore Kraft standen, will in sieben Wochen auf einem Landesparteitag entscheiden, wer sie in den kommenden Jahren anführen soll: der aktuelle Vorsitzende Sebastian Hartmann (43) oder dessen Herausforderer, Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty (52). Doch Parteichef Hartmann ist mitten in dieser sensiblen Phase abgetaucht.
Wo ist Hartmann? Diese Frage stellen sich seit Monaten Teile des SPD-Landesvorstandes, die politische Initiativen des Bundestagsabgeordneten aus dem Rhein-Sieg-Kreis vermissen. Seit eine von Hartmann geplante Jahresauftakt-Pressekonferenz in dieser Woche auf Druck der eigenen Partei kurzfristig platzte, ist der Vorsitzende nicht für Presse-Anfragen zu erreichen. In seinem Büroumfeld in Düsseldorf häuften sich zuletzt die Absetzbewegungen: Mehrere enge Mitarbeiter haben in den vergangenen Monaten Kündigungen eingereicht. „Schwierig“ sei zuweilen die Kommunikation mit dem Vorsitzenden, heißt es aus Parteikreisen.
Rückzug ist nicht in Sicht
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Wird sich Hartmann nach zweieinhalb Jahren in diesem Amt noch einmal zur Wahl stellen? Im Hintergrund bemühen sich führende Sozialdemokraten darum, den Parteichef zum Rückzug zu drängen. Die Brücke für einen „ehrenhaften“ Abgang ist gebaut: Ein sicherer Listenplatz im Rhein-Sieg-Kreis für die Bundestagswahl könnte den Schmerz über den Verlust eines Partei-Spitzenamtes lindern. Doch Hartmann ist erfahrungsgemäß keiner, der so schnell die Brocken hinwirft und kapituliert.
Überzeugt davon, ein Stratege und Steuermann zu sein, der die Partei auf einen eigenständigen Kurs führt, („Rot pur“), könnte er auf dem digitalen Parteitag am 6. März die Konfrontation mit Thomas Kutschaty suchen. Ein offener Schlagabtausch zwischen diesen beiden Männern, die offenbar nur miteinander reden, wenn es sich nicht vermeiden lässt, wäre unterhaltsam und durchaus im Sinne der Demokratie. Aber viele aus der SPD-Landtagsfraktion und aus der Landespartei würden die Reise Richtung Landtagswahl 2022 lieber ohne Personalquerelen antreten und wünschen sich einen Schulterschluss zwischen Hartmann und Kutschaty vor dem Parteitag.
Streit um die Ausrichtung der Partei
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Die Rivalität zwischen den beiden Konkurrenten war früh angelegt, obwohl sie inhaltlich gar nicht weit auseinander liegen. Eine SPD-„Findungskommission“ hatte den jungen Bundestagsabgeordneten Hartmann 2018 als „idealen“ Vorsitzenden ausgeguckt. Dabei ging es den damals noch Mächtigen in der Landespartei – Michael Groschek und Norbert Römer – aber vor allem darum, die Chancen des früheren NRW-Justizministers Thomas Kutschaty auf den Landtagsfraktionsvorsitz und andere Spitzenpositionen zu schmälern. Die alte Parteielite wollte den GroKo-kritischen, aus ihrer Sicht zu linken und aufmüpfigen Kutschaty nicht. Sie ging mit Posten-Geschiebe und Regionalproporz vergeblich gegen ihn vor.
Sollte Hartmann im März erneut für den SPD-Landesvorsitz kandidieren, geschähe dies aus der Hoffnung heraus, die Rolle des Kutschaty-Verhinderers spielen zu können und womöglich Wegbereiter zu sein für einen anderen SPD-Spitzenkandidaten zur Landtagswahl 2022. Unter Hartmanns SPD-Bundestagskollegen aus NRW ist Kutschaty nicht sehr beliebt. Viele von ihnen nehmen es dem Essener SPD-Vorsitzenden krumm, dass er sich vor zwei Jahren als Kritiker der Großen Koalition mit dem Partei-Establishment in Berlin angelegt hatte. Und bei der Kommunalwahl 2020 kam die einst so erfolgreiche Essener SPD übel unter die Räder.
"Doppelspitze" Schulze/Post wohl kein Thema mehr
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Einige Berliner Abgeordnete träumen noch von einer Kandidatur von Bundesumweltministerin Svenja Schulze und des Chefs der NRW-Landesgruppe im Bundestag, Achim Post, als „Doppelspitze“ für die NRW-SPD. Realistisch scheint das aber nicht mehr zu sein. Die NRW-SPD bittet potenzielle Bewerber, sich bis spätestens 22. Januar zu melden. Verbindlich ist das aber nicht: Kandidaten könnten sich auch noch auf dem Parteitag melden.
Gute Aussichten auf Parteivorsitz und Landtagswahl-Spitzenkandidatur hat Kutschaty trotz des Gegenwindes. Zuletzt konnte er sich in der Coronakrise als Oppositionsführer mit harten Attacken gegen Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) immer besser in Szene setzen. Die Parteibasis scheint ihm mehrheitlich zugetan zu sein. Und wichtige Parteigliederungen wie die Jungsozialisten (Jusos), die SPD-Senioren (AG 60 plus) sowie die SPD-Frauen (ASF) wollen Kutschaty an der Spitze.