Essen. Bis zu viermal mehr Spaziergänger tummeln sich auf den Wegen. Regionalverband hat zudem den Wert seiner Wälder berechnen lassen.
Artenschutz-Biotop, Treibhausgas-Speicher, besonders aber Freizeitraum für über fünf Millionen Menschen: Die Corona-Krise verändert den Blick auf die Bedeutung der Waldgebiete im Ruhrgebiet.
Als größter kommunaler Waldbesitzer in NRW hat der Regionalverband Ruhr (RVR) jetzt erstmals den materiellen und immateriellen Wert seiner Wälder wissenschaftlich berechnen lassen. Vor dem Expertenurteil steht freilich zunächst der simple Befund vor Ort: Pandemie und Lockdown führen aktuell zu einem nie dagewesenen Besucher-Ansturm auf die weitläufigen Forstareale und Naherholungsgebiete des Verbandes.
Spaziergängern, Wanderern und Freizeitsportler
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Ganze Scharen von Spaziergängern, Wanderern und Freizeitsportlern entdecken nahegelegene Forstareale wie die Haard im Kreis Recklinghausen, die Kirchheller Heide in Bottrop oder den Emscherbruch in Gelsenkirchen neu für sich.
Gegenüber der Vorkrisenzeit hat sich die Waldbesucherzahl laut RVR an Werktagen insgesamt verdoppelt. An den Wochenenden und Feiertagen strömen sogar viermal so viele Besucher wie sonst üblich in die Wälder. Wanderparkplätze platzen dann aus allen Nähten. Eng geworden sei es auf den Wegen aber bislang nicht, betonte eine RVR-Sprecherin. Die Waldgebiete seien weitläufig. Als positiv bewertet der RVR, dass das Besucherplus nicht automatisch zu mehr Müll am Wegesrand führt, höchstens an den Parkplätzen.
RVR besitzt insgesamt rund 16.000 Hektar Wald
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Die Entwicklung scheint die Ergebnisse einer aktuellen Studie über die ökonomische und ökologische Bedeutung der Ruhrgebietswälder zu bestätigen. Experten der Fakultät Ressourcenmanagement an der Universität Göttingen haben im RVR-Auftrag die Wertschöpfung der insgesamt rund 16.000 Hektar großen RVR-Waldflächen nach der so genannten Ökosystemleistung aufgeschlüsselt.
Die Waldgebiete im Ruhrgebiet erfüllen demnach viele Funktionen – die sich unterschiedlich bezahlt machen. Klassisch forstwirtschaftliche Elemente wie Holzverarbeitung und andere Einnahmen etwa aus Jagdverpachtungen machen laut der Studie nur einen Bruchteil der errechneten „Gesamterlöse“ des Waldes in Höhe von gut 170 Millionen Euro im Jahr aus. Deutlich „wertvoller“ ist die Bedeutung des Waldes für Artenschutz und Biodiversität, bei Reduktion des CO2-Gehaltes und des Feinstaubes der Luft sowie bei der Nitratfilterleistung für die Grundwasserversorgung.
Erholungsleistung für die Öffentlichkeit
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Größter Einzelposten in der Wald-Bilanz ist jedoch die Erholungsleistung für die Öffentlichkeit, für die der RVR durch Bereitstellung, Bewirtschaftung und Pflege seiner Waldgebiete quasi in Vorleistung geht. Als Berechnungsmethode dient hier vereinfacht die Annahme, dass der Verband für das Betreten der Wälder wie ein Museum Eintritt nehmen würde.
Diese so genannte „soziale Funktion“ des Waldes macht allein rund zwei Drittel der Gesamtbilanz aus. Was auch daran liege, dass die im dicht besiedelten Ruhrgebiet verstreuten RVR-Waldgebiete von Spaziergängern und Radfahrern regelmäßig viel stärker frequentiert würden als abseits der Großstädte gelegene Wälder etwa im Sauerland, betonte Thomas Kämmerling, beim RVR zuständiger Betriebsleiter für die Abteilung Ruhr Grün.
Auch Ministerin sieht hohe Bedeutung für grüne Infrastruktur
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„Das Ergebnis der Studie zeigt, welche Bedeutung unsere Wälder für die Menschen im Ruhrgebiet hat“, sagte RVR-Umweltdezernentin Nina Frense. Den Wert von Grüngebieten „gerade in Corona-Zeiten“ hebt auch NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) gern immer wieder hervor. Der grünen Infrastruktur im Ruhrgebiet komme hohe Bedeutung zu, sagte die Ministerin jüngst auf der RVR-Online-Fachtagung „Zukunft der Grünen Infrastruktur in der Metropole Ruhr“.
Die RVR-Waldgebiete sind Rückgrat des Ruhrkonferenz-Leitprojektes „Offensive Grüne Infrastruktur“. Unter Federführung des RVR soll ein durchgängiges Netz aus Grün- und Freiräumen im Ruhrgebiet entstehen und grüne Lückenschlüsse geschaffen werden. Das Land stellt für Maßnahmen wie etwa die „Aufforstung“ ausgedienter Sportplätze Fördergelder in Höhe von bislang 2,9 Millionen Euro bereit.