Essen.. Das Revier zählt zu den grünsten Ballungsräumen Europas. Allein Wälder machen 14 Prozent der Fläche aus. Nun soll alles noch grüner werden.


Für Gänse, Biber und Silberreiher ist die Bislicher Insel das reinste Wasserparadies. Tausende Zugvögel überwintern in dieser einzigartigen Auenlandschaft am Niederrhein. Auch das nachweislich einzige Seeadler-Pärchen Nordrhein-Westfalens hat in diesem Tausend Hektar großen Feuchtgebiet, das bei Xanten zwischen dem Rhein und einem Altarm des Flusses liegt, seine Heimat gefunden.

Die Bislicher Insel ist aber auch ein Stück der grünen Lunge des Ruhrgebiets. Denn das Schutzgebiet gehört zum weitläufigen Grundbesitz des Regionalverbandes Ruhr (RVR) in Essen. Nun will der RVR sein „Revier“ noch grüner machen. Ein Überblick.

Warum setzt der Regionalverband auf „grüne“ Themen?

Nach dem Ende des Steinkohlebergbaus will der RVR die „grüne Infrastruktur“ zu einem neuen Markenkern des Ruhrgebiets entwickeln. Das Projekt heißt „Grüne Infrastruktur Metropole Ruhr“ – aus Sicht von RVR-Umweltdezernentin Nina Frense eine völlig neue Herangehensweise an die Freiraumplanung im Ruhrgebiet.

„Beim Thema Grüne Infrastruktur müssen wir aus der Öko-Ecke raus und klar sagen, hier geht es nicht nur um Artenvielfalt und Naturschutz sondern das ist längst ein harter Standortfaktor“, sagt Frense. Jedes Unternehmen frage sich vor der Ansiedlung, ob das auch ein Ort ist, an dem es sich für die Mitarbeiter und ihre Familien gut leben lässt. Zudem sei die Funktion der Grünzüge als Frischluftschneisen für die aufgeheizten Innenstädte wichtig.

RVR-Umweltdezernentin Nina Frense setzt auf grüne Infrastruktur.
RVR-Umweltdezernentin Nina Frense setzt auf grüne Infrastruktur. © Unbekannt | FunkeFotoServices






Was befähigt den Regionalverband, der einst als Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk gegründet wurde, zum Sachwalter der Natur in der Region?

Der Verband sieht sich für diese Aufgabe bestens gerüstet. Der RVR verwaltet nicht nur die meisten Freiflächen im Revier. Er ist auch Deutschlands größter kommunaler Waldbesitzer. Von den rund 18.000 Hektar Grund und Boden, die dem RVR insgesamt gehören, sind allein 75 Prozent bewaldet. Der Rest der Freiflächen verteilt sich auf Naturschutzgebiete, Wasserflächen, Halden, Radwege und ehemalige Schachtanlagen.

Zur Bewirtschaftung seiner Wälder unterhält der RVR einen eigenen Grün-Betrieb mit insgesamt 110 Mitarbeitern, darunter viele Jäger, Förster und Ranger. Auch historisch zählen Schutz und Pflege der Umwelt durch die Sicherung von Freiflächen zu den Kernaufgaben des Verbandes.

Wie grün ist das Ruhrgebiet wirklich?

Das Revier zählt trotz einer Gesamtbevölkerung von über fünf Millionen Menschen und einem dichten Geflecht aus Gewerbeflächen, Industrieanlagen und stark belasteten Verkehrswegen zu den grünsten Industrieregionen Europas. Mit über 4400 Quadratkilometern ist das Revier in den RVR-Grenzen fast doppelt so groß wie das Saarland, hat aber mehr als fünfmal so viele Einwohner. Dennoch sind knapp 14 Prozent des Ruhrgebiets Wälder, weitere 38 Prozent Agrarflächen.

Das Naturschutzgebiet Bislicher Insel bei Xanten ist ein Vogelparadies. Es gehört dem RVR und liegt im äußersten Nordwesten des Ruhrgebiets.
Das Naturschutzgebiet Bislicher Insel bei Xanten ist ein Vogelparadies. Es gehört dem RVR und liegt im äußersten Nordwesten des Ruhrgebiets. © Unbekannt | Lars Heidrich / FUNKE Foto Services






Was will der RVR ändern?

Es geht nicht in erster Linie darum, neben dem schon großen Grünanteil der Region noch mehr Flächen auszuweisen. Der RVR will seine weitläufigen Flächen aber deutlich aufwerten und besser als bisher vernetzen. Dafür sollen in den kommenden 15 bis 20 Jahren bis zu 500 Millionen Euro in die Hand genommen werden.

Das Geld soll überwiegend über Fördertöpfe fließen, hauptsächlich von der EU. Vorteil des RVR: Anders als die Revierkommunen kann der Verband regional handeln. Die RVR-Landschaft ist stark zergliedert. Praktisch in jeder der 53 Revierkommunen besitzt der Verband Grund und Boden. „Es ist eine regionales Netz, das an Stadtgrenzen nicht Halt macht und eine dienende Funktion für die gesamte Region hat“, betont Nina Frense.

Welche Rolle spielt die Internationale Gartenausstellung IGA?

Eine zentrale. Die IGA soll 2027 im Ruhrgebiet stattfinden. Der Regionalverband hat die Federführung. Allein für dieses Vorzeigeprojekt, um dessen Finanzierung Regionalverband, Revier-Kommunen und die NRW-Landesregierung im vergangenen Jahr lange gerungen hatten, steht ein Finanzrahmen im dreistelligen Millionenbereich zur Rede.

Das Ausstellungskonzept sieht drei Hauptstandorte vor: den „Rheinpark“ in Duisburg, die „Zukunftsinsel Gelsenkirchen“ (Nordsternpark und Emscherinsel) und „Emscher Nordwärts“ in Dortmund. Zudem sind weitere Sonderausstellungsbereiche geplant. Außerdem sollen regional relevante Parks und Gärten im Ruhrgebiet präsentiert und dafür aufgewertet werden. Inzwischen gibt es dafür rund 80 Projektanmeldungen.

Die Messlatte für die Qualität der Gärten liegt hoch. Nina Frense: „Für uns muss erkennbar sein, dass Zukunftsfragen beantwortet werden. Wie wollen wir morgen leben? Welche Antworten gibt es bei den Themen Mobilität und grüner Technologie?“

Die Halden des Ruhrgebiets sind Landmarken der Region. Der RVR plant den Ankauf weiterer 23 Halden. Im Bild: die Halde Rungenberg in Gelsenkirchen.
Die Halden des Ruhrgebiets sind Landmarken der Region. Der RVR plant den Ankauf weiterer 23 Halden. Im Bild: die Halde Rungenberg in Gelsenkirchen. © Unbekannt | Unbekannt






Welche Projekte verfolgt der RVR noch?

Der Verband will seinen Bestand von mittlerweile 35 Halden erheblich aufstocken. Derzeit laufen die Verhandlungen über den Ankauf 23 weiterer ehemaliger Bergehalden von der RAG. Einige davon sollen zu touristischen Hotspots entwickelt, andere einfach der Natur überlassen werden. In die Ertüchtigung seiner fünf in die Jahre gekommenen Reviersparks steckt der RVR in den kommenden Jahren 28,6 Millionen Euro.

Was erhofft sich der RVR von der Ruhrkonferenz des Landes?

„Von der Ruhrkonferenz verspreche ich mir, dass die Weiterentwicklung der grünen Infrastruktur im Ruhrgebiet vom Land mitgetragen wird und dort Unterstützung findet“, so RVR-Dezernentin Nina Frense.