Essen. Mal sind es 50 Prozent der Pflegekräfte, mal 95: Die Impfbereitschaft in NRW-Heimen variiert. Eine Verpflichtung findet kaum Anhänger.

Die von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ins Gespräch gebrachte Impfplicht für Pflegekräfte in Seniorenheimen trifft bundesweit und auch in NRW auf wenig Gegenliebe. Pflegekräfte seien Schlüsselakteure für das Vertrauen von Pflegebedürftigen und deren Familien, sagte Josef Neumann, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag. "Es konterkariert ihre wertvolle Überzeugungsarbeit, wenn der notwendige Dialog mit ihnen seitens der Politik verweigert und stattdessen eine Impfpflicht aufgezwungen wird", sagte Neumann. Das Gebot der Stunde sei Aufklärung.

Neumann sprach gar von „Ablenkungsdebatten“: Damit die Impfung ein Erfolg werden kann, müssten die Impfstoffe endlich in ausreichender Zahl geliefert werden. 

Auch die Grünen im NRW-Landtag lehnen eine Verpflichtung zur Impfung für Pflegekräfte ab. Auf die Beschäftigten müsse sensibel, wertschätzend und offen zugegangen werden, mahnte Gesundheitsexperte Mehrdad Mostofizadeh. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte jüngst klargestellt, dass die Impfung die ganz persönliche Entscheidung eines jeden Einzelnen sei.

Impfbereitschaft variiert in den Heimen stark

Seit dem 27. Dezember werden Bewohner der NRW-Pflegeheime und Mitarbeiter gegen das Coronavirus geimpft. Während die Impfbereitschaft unter Bewohnern als hoch gilt, variiert sie unter den Beschäftigten stark. Beispielhaft zeigt sich das bei der Caritas in NRW: In Düsseldorfer Einrichtungen liegt die Impfbereitschaft der Mitarbeiter nach Angaben der Wohlfahrtsorganisation bei 50 bis 60 Prozent, im Bistum Münster hingegen bei rund 90.

Frank J. Hensel, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege NRW, warnte vor einer Debatte um eine Covid-19-Impfpflicht für Pflegekräfte in Heimen oder Kliniken. Diese jetzt zu führen, sei absolut dysfunktional.

"Die Grundrechtsdiskussion um verpflichtende Impfungen für einzelne Berufsfelder würde aktuell nur Kräfte binden und Widerstände hervorrufen", sagte Hensel dieser Redaktion. "Das sollten wir uns sparen und lieber klar auf die Einsichtsfähigkeit und Verantwortungsbereitschaft der Mitarbeitenden im Gesundheitswesen setzen."

Gründe für Impfskepsis seien oft weniger grundsätzlicher Natur, sagte Hensel. Es gebe diejenigen, die lieber noch etwas abwarten wollen, manche befürchten Unverträglichkeiten aufgrund von Vorerkrankungen und Allergien.

Kölner Pflegedienst-Gruppe spricht sich für Impfverpflichtung aus

Unter den Arbeitgebern in der Region sorgt die Debatte um eine Impfpflicht für viele Diskussionen. Heimleiter steckten oft in der Zwickmühle, erklärte ein Sprecher der Ruhrgebietskonferenz Pflege. Es gebe ein großes Unwohlsein sowohl gegenüber einer Impfpflicht als auch gegenüber der Impfverweigerer. Man wolle aber für die Impfungen werben und so überzeugen.

Die „Home Instead Gruppe“, ein bundesweit agierender Pflegedienstbetreiber mit 44 Standorten allein in NRW und Sitz in Köln, spricht sich zugunsten einer Impfverpflichtung für Beschäftigte in der Pflege aus. Thomas Eisenreich aus der Geschäftsleitung verspricht sich davon ein zügigeres Vorgehen bei den Impfungen: „Wenn wir nur auf Überzeugung setzen, haben wir enorme Zeitaufwände, die wir besser in der Organisation der Impfungen bei gleichzeitiger Sicherstellung der Versorgung verwenden können“, sagte Eisenreich.

Impfung in Kliniken startet in der kommenden Woche

In der nächsten Woche sollen die Impfungen in den rund 340 Kliniken im Land beginnen. Geimpft werden zunächst rund 90.000 Mitarbeiter etwa auf den Intensivstationen oder in den Notaufnahmen, in der Onkologie und Transplantationsmedizin arbeiten. Die Impfbereitschaft könnte ersten Momentaufnahmen zufolge bei ebenfalls nur bei 60 bis 70 Prozent liegen. 

Von einer Impfpflicht wird dennoch auch hier Abstand genommen: Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW, sagte gegenüber der Redaktion, man setze auf eine „hohe Bereitschaft“ bei Ärzten und Pflegekräften und anderen Beschäftigten, „dass sie auch an dieser Stelle verantwortungsbewusst handeln und sich gegen Corona impfen lassen“. 

Ludger Risse, Vorsitzender des Pflegerats NRW, appellierte an Beschäftigte, sich gründlich bei seriösen Quellen zu informieren. Die Bereitschaft zur Impfung sei insbesondere bei den gut informierten Kollegen sehr hoch.