Köln. Der CSU-Chef leistet beim Neujahrsempfang als Stargast Wahlhilfe für Laschet im CDU-Kampf, hält sich für Höheres aber selbst im Spiel.

Der eine steht im dunklen Anzug in einem Fernsehstudio in Köln vor dem Foto des Doms, der andere sitzt mit offenem Hemdkragen in Nürnberg vor einer weiß-blauen CSU-Wand. Beim traditionellen Neujahrsempfang der nordrhein-westfälischen CDU, der erstmals rein digital ausgetragen wurde, haben sich NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und sein bayerischer Amtskollege Markus Söder am Samstagvormittag vor mehreren Hundert Zuschauern und Honoratioren an den Bildschirmen die Bälle zugespielt.

Eine Woche vor dem digitalen Bundesparteitag, bei dem Laschet zum neuen CDU-Vorsitzenden gewählt werden will, wurde besonders genau hingehört. Der NRW-Ministerpräsident führt zwar den mit Abstand größten Landesverband, der fast ein Drittel der 1001 Delegierten stellen wird. Doch seine Konkurrenten, Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz und Außenpolitiker Norbert Röttgen, stammen ebenfalls aus NRW und liegen auch ohne herausragende politische Ämter in den Umfragen vor Laschet. Und im Hintergrund lauert Söder, den die überragende Mehrheit der Unionsanhänger für den besten Kanzlerkandidaten bei der Bundestagswahl im Herbst halten würde.

Ohne NRW kann Söder seine bundespolitischen Ambitionen vergessen

Auch wenn der CSU-Chef die Beteuerungen, sein Platz sei in Bayern, zuletzt nicht mehr ganz so entschlossen in die Mikrofone sprach, durfte man den Neujahrsempfang als klare Wahlhilfe für einen neuen CDU-Bundesvorsitzenden Laschet werten, der selbst Kanzler werden will. Söders Lobhudelei auf den Düsseldorfer Kollegen war deutlich mehr als die übliche Höflichkeitsadresse gegenüber dem Gastgeber. Es nötige ihm schon Respekt ab, flötete der Franke, wie Laschet 2017 in einem Land wie NRW trotz schlechter Umfragewerte die Landtagswahl gewonnen habe und seither mit nur einer Stimme Mehrheit geräuschlos die schwarz-gelbe Koalition führe. Ja, er nehme NRW als „ganz kräftiges Land“ wahr. „Die Rede und die Idee ist das eine, aber das andere ist natürlich die praktische Umsetzung in Politik“, befand Söder. Schönen Gruß an Friedrich Merz, der noch nie regiert hat.

In der Corona-Krise wurden der strenge Söder und „Lockerer Laschet“ im Frühjahr zwar als Antipoden wahrgenommen. Doch im Grundsatz hätten die Kraftzentren Bayern und NRW immer Seite an Seite gegen die Pandemie gekämpft, versicherte Söder: „Wir haben unterschiedliche Akzente gehabt, das hing auch mit unterschiedlichen Infektionszahlen zusammen.“

Humor verbindet Laschet und Söder in endlosen Sitzungen

Vermutlich könnte der bayerische Ministerpräsident mit einem CDU-Vorsitzenden Laschet am besten leben, obwohl dieser an der CSU-Basis deutlich schlechter ankommen dürfte als der kantige Merz. Persönlich haben beide offenbar in den vergangenen drei Jahren zusammengefunden. „Markus Söder ist ein Freund kurzer SMS, klarer Botschaften, klarer Fragen“, berichtete Laschet über den häufigen Austausch. „Manchmal kriegt er eine Antwort, die ihn erfreut. Manchmal denkt er: Was macht der Laschet jetzt schon wieder?“ Der NRW-Ministerpräsident versicherte: „Wir kommen gut miteinander klar.“

Die beiden fühlen sich in endlosen Ministerpräsidenten-Konferenzen augenscheinlich zeitweilig wie die Lümmel aus der letzten Bank, die sich über über Langatmigkeit amüsieren können. „Bremen hat immer einen wahnsinnig hohen Redeanteil. Da halten wir beide uns zurück“, verriet Söder grinsend. Da greift man schon mal zum Handy und teilt seine Beobachtung: „Was ich beim Armin sehr schätze neben der sachlichen und fachlichen Zusammenarbeit ist echt sein Humor, selbst in schweren Zeiten. Da gibt es dann die eine Stilblüte, die wir uns gegenseitig schreiben, über einen überragenden Redebeitrag irgendeines Kollegen.“

Trotz aller Freundlichkeiten ließ Söder bei seinem Auftritt durchaus bundespolitische Ambitionen aufblitzen. Er weiß: Ohne Laschet und die mächtige NRW-CDU könnte er niemals Kanzlerkandidat werden. Söder hat gewiss studiert, dass der letzte CSU-Kanzlerkandidat, sein Mentor Edmund Stoiber, 2002 an Rhein und Ruhr fremdelte. Als "Super-Bayer" gewinnt man eben nicht bundesweit die Herzen. Söder, der in der NRW-CDU lange keinen guten Ruf genoss, ist gerade erfolgreich dabei, sich eine gut vermittelbare bajuwarische Gerd-Rubenbauer-Freundlichkeit zuzulegen. Treuherzig berichtete er am Samstag, dass in seinem Büro in Nürnberg ein Porträt des Rheinländers Konrad Adenauer gleich neben dem von Franz Josef Strauss hänge. Zu sehen war es nicht.

Entschieden wird die K-Frage erst nach den Landtagswahlen

Eindrücklich warb er für seinen Kurs in der Pandemie – mit allen Zumutungen. Die Rolle des entschlossenen Corona-Managers hat Söder zu ungeahnter Popularität verholfen. Nun predigte er auch Zusammenhalt in der Union und gab sich geläutert: „Ich will nur zusagen: Sehr, sehr gute Zusammenarbeit, keine Situation wie wir es damals in der Migrationsfrage hatten mit dem großen Streit. Der hat uns beiden geschadet, das habe ich gelernt.“

Beiläufig machte er deutlich, dass mit der Wahl des CDU-Vorsitzenden die Frage der Kanzlerkandidatur keineswegs vorentschieden ist. „Wenn die Landtagswahlen erfolgreich bestritten worden sind in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, wo wir gemeinschaftlich auf Sieg statt auf Platz setzen, dann werden wir uns auch überlegen, wie wir Programm und Personal aufstellen für die Bundestagswahl“, skizzierte er den Zeitplan. Am Morgen hatte sein CSU-Generalsekretär Markus Blume in der „Rheinischen Post“ schon mal das Anforderungsprofil des Kanzlerkandidaten beschrieben: „Es wird der sein, mit dem man bei der Bundestagswahl die besten Erfolgsaussichten hat, der zu den Erfordernissen der Zeit passt und die beiden Parteien mitreißt.“

Laschet gab sich bei diesem Neujahrsempfang erneut als freundlicher Mann von „Maß und Mitte“, der sich in der Traditionslinie von Adenauer, Kohl und Merkel sieht. Dass er CDU und CSU mitreißen könnte, ist bislang noch nicht zu erkennen. „Egal, wer Vorsitzender wird: Auf gute Zusammenarbeit“, schloss Söder seine rund 25-minütige Rede. Und Laschet rief noch nach Nürnberg hinüber: „Grüß den Adenauer in Deinem Büro.“