Düsseldorf. Bei einer Parteiveranstaltung der CDU-Ruhr legt der NRW-Ministerpräsident seine persönlichen Ambitionen so offen wie selten.
Armin Laschet hatte sich am Montagabend bereits fast 45 Minuten dem „digitalen Kandidatencheck“ der Ruhr-CDU unterzogen, als er doch noch nach einer möglichen Kanzlerkandidatur und seiner Zukunft als NRW-Ministerpräsident gefragt wurde. Nicht einmal zwei Wochen vor dem Bundesparteitag, bei dem sich die Zukunft der Partei für die Nach-Merkel-Zeit entscheidet, ist das ja die Basis aller weiteren Überlegungen. Laschet konkurriert am 16. Januar gegen Ex-Bundestagsfraktionschef Friedrich Merz und Außenpolitiker Norbert Röttgen.
„Jetzt steht erst dieser Parteivorsitz an. Und dann werden wir mit der CSU besprechen, wer denn Kanzlerkandidat wird. Diese Frage ist nach meiner Vorstellung zu beantworten nach den Landtagswahlen im Frühjahr“, spulte Laschet zunächst seine Routine-Antwort ab, die er seit Wochen in unzähligen Interviews gibt.
Doch Laschet fühlte sich erkennbar wohl vor der Webcam und stand den zugeschalteten Parteifreunden aus dem Revier erstaunlich entspannt, bisweilen sogar witzig Rede und Antwort. Wohl deshalb beließ er es nicht bei der Standardaussage, sondern offenbarte, wieweit seine persönlichen Pläne schon reichen.
Das "Kunststück", die hohe Merkel-Zustimmung für die Union zu retten
„Wir haben ja die Sondersituation, dass wir eine amtierende Kanzlerin haben und dieser Kanzlerkandidat irgendwie daneben stattfindet. Und da ist es klug, die Zeit nicht allzu lang zu machen. Das Kunststück muss sein, die hohe Zustimmung, die die Bundeskanzlerin hat – 35 Prozent plus X derzeit -, möglichst zu retten für die CDU und trotzdem neue Themen anzusprechen. Das dann nebeneinander. Das geht nur mit einem ganz großen Einvernehmen und mit sehr viel Geschick, wenn wir denn irgendwann diese Frage entschieden haben“, erläuterte er. Dass sich Laschet als treuer Merkel-Freund selbst in den Stürmen der Flüchtlingskrise 2015 hier für eine Idealbesetzung hält, war schwer zu verkennen.
Sein Fahrplan sieht offenbar vor, bis zur Bundestagswahl im September Ministerpräsident zu bleiben, um dann gegebenenfalls ins Kanzleramt zu wechseln. „Und dann geht man in die Wahl, wie das 70 Jahre Tradition Bundesrepublik ist, natürlich als Ministerpräsident“, führte er in der digitalen Runde aus. „Wir haben ja die Beispiele alle gehabt: Ein Großteil der Kanzler war vorher auch mal Ministerpräsident. Adenauer war Oberbürgermeister in Köln, Kiesinger war Ministerpräsident in Baden-Württemberg, Willy Brandt war Regierender Bürgermeister in Berlin, Helmut Kohl war Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz, Gerhard Schröder kam aus dem Ministerpräsidentenamt ins Kanzleramt. Johannes Rau war Ministerpräsident, hat kandidiert, war danach wieder Ministerpräsident. Also, die Beispiele in Deutschland sind da fast immer so gewesen. Und so ähnlich würden wir es hier auch machen.“
Kanzlerkandidatur entscheidet sich zwischen CDU- und CSU-Chef
Schon über den Jahreswechsel hatte Laschet im „Westfälischen Anzeiger“ klargestellt, dass entweder der neue CDU-Vorsitzende oder CSU-Chef Markus Söder die Kanzlerkandidatur übernehmen werde. Sonst niemand. „Die Union hat damit gute Erfahrungen gemacht.“ Und ob der populäre und clevere Söder wirklich will oder lieber bloß derjenige ist, den alle für den besseren Kandidaten halten, blieb bislang unklar.
Laschets Einlassungen sind insofern bemerkenswert, als einige CDU-Granden wie Wolfgang Schäuble und Ralph Brinkhaus zurzeit Spekulationen über einen alternativen Kanzlerkandidaten wie etwa Gesundheitsminister Jens Spahn befeuern. Hintergrund ist die Unzufriedenheit vieler der 1001 Delegierten mit der Personalauswahl. Laschet ächzt unter miserablen Umfragewerten. Ihm wird vielerorts nicht zugetraut, als Spitzenmann den Bundestagswahlsieg einzufahren. Der kantige Merz hat zwar eine glühende Anhängerschaft, könnte aber die mittigen Merkel-Wähler verschrecken und die Grünen ins linke Lager treiben, so die Sorge. Röttgens Reiz besteht darin, dass er den Weg für einen Kanzlerkandidaten Söder problemlos frei machen würde, was aber eigentlich nicht Selbstverständnis der großen Schwester CDU ist.
Gelernte Lektion: Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur gehören in eine Hand
Würde Spahn, der eigentlich nur Laschet als „Vize“ unterstützen will, als „vierter Mann“ der CDU bei der Kanzlerkandidatur zum Zuge kommen, wäre der neue Parteivorsitzende sofort ein König ohne Land. Laschet weiß das. Auch Konkurrent Merz hat seinen Führungsanspruch deutlich gemacht und sieht selbst eine Kanzlerkandidatur der CSU lediglich als historischen Ausnahmefall. Bayerische Ministerpräsidenten kamen in der Union lediglich dann zum Zug, wenn die CDU-Vorsitzenden (1980 Kohl, 2002 Merkel) zu schwach waren.
Die unglückliche Kurzzeit-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer hat vor fast einem Jahr bitter analysiert: „Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur müssen aus meiner Sicht in einer Hand liegen.“ Das ist bis heute Lehrmeinung in der Partei. Auch Laschet und Merz dürfte klar sein, dass es nur ein Machtzentrum geben darf. Deshalb gilt vor dem 16. Januar: Wer den neuen CDU-Vorsitzenden wählt, bekommt ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im Herbst als Kanzlerkandidaten.